Regisseurin Sofia Coppola über ihren neuen Film „The Bling Ring“, Paris Hilton und Kindererziehung

Hamburg. Längst ist Sofia Coppola, 42, künstlerisch aus dem Schatten ihres Übervaters Francis Ford Coppola getreten – nicht nur durch ihren Oscar für „Lost in Translation“ und den Goldenen Löwen für „Somewhere“. Trotzdem liebt sie’s diskret, steht lieber im Abseits als im Rampenlicht. Ihr aktueller Film „The Bling Ring“, der an diesem Donnerstag startet, beruht auf einer wahren Begebenheit: Eine Teenie-Clique räumte in Hollywood Häuser von Paris Hilton, Orlando Bloom, Megan Fox und Lindsay Lohan aus und erbeutete dabei Designerkleidung und Schmuck im Wert von mehr als drei Millionen Dollar. Jugendliche, die sich nach Ruhm sehnen und per Social Media selbst zu Stars stilisieren – dieses Thema macht „The Bling Ring“ auch zu einem treffenden Porträt unserer Zeit.

Hamburger Abendblatt:

Auch Sie sind behütet in Kalifornien aufgewachsen, waren sicher auch etwas verwöhnt, waren durch Ihre Familie privilegiert. Warum sind Sie nicht so geworden wie die Jugendlichen in Ihrem Film?

Sofia Coppola:

Das war eine ganz andere Zeit! Ich bin davon überzeugt, dass auch Reality-TV wie „The Kardashians“ einen großen Einfluss auf die Jugend hat. Sendungen wie diese suggerieren: Jeder kann berühmt sein und das ohne große Leistung. So etwas gab es in den Siebzigern nicht. Auch die Modemarken wurden nicht so gefeiert wie heute.

Wie stießen Sie auf diese wahre Begebenheit, auf der der Film basiert?

Coppola:

Auf einem Flug fiel mir ein Artikel in „Vanity Fair“ in die Hände. Darin schilderten die Kids aus ihrem Blickwinkel, wie sie per Google herausfanden, wer wo wohnt und wer gerade auf einem Event abseits seines Zuhauses ist. Sie erzählten, wie sie in die Villen der Stars eindrangen und auf Beutezug gingen.

Für Sie gehörten Stars von klein auf zu Ihrer natürlichen Umgebung. Wo beginnt das Phänomen des Starkults?

Coppola:

Die Auswüchse sind heute viel exzessiver, seit es Klatschgazetten und Reality-TV gibt. Daran bin ich nicht gewöhnt, aber darauf war ich neugierig. Denn das macht einen großen Teil unserer heutigen Pop-Kultur aus: Jeder will berühmt sein.

Im Film gibt es viele Cameo-Auftritte, u.a. von Paris Hilton und Kirsten Dunst. Warum war Ihnen das wichtig?

Coppola:

Ich wollte, dass der Film sich möglichst authentisch anfühlt. Echte Berühmtheiten und echte Designerlabel sind überzeugender als erfundene Variationen. Und der Punkt war ja, zu zeigen, wie sehr die Kids die Celebritys anhimmeln. Das wäre mit einem „gefälschten“ Star nicht rübergekommen!

Wie war denn Ihre eigene Reaktion darauf, das exzessive Barbie-Schloss von Paris Hilton erleben zu dürfen, in dem ja sogar die Sofakissen ihr Konterfei tragen?

Coppola:

Ich habe noch nie gesehen, dass jemand so lebt. Es war interessant für mich, in die Welt von Paris Hilton eintauchen zu können – mit all den Bildern von ihr an den Wänden.

Männliche Regisseure vergleichen das Filmemachen gern mit dem Großziehen eines Kindes. Wie sehen Sie das: Kommt der Vergleich hin?

Coppola:

Kinder großzuziehen kann sehr kreativ sein. Ich bin als Mutter kaum anders als als Filmemacherin. Regisseure sind ja immer Kontrollfreaks, bei ihnen muss alles nach der eigenen Nase gehen, ihre Vision muss eins zu eins umgesetzt werden. Auch als Mutter muss man klare Ansagen machen.

Kaum vorstellbar, dass Sie am Set zum brüllenden Alphatier werden.

Coppola:

Ich bin auch kein Schrei-Typ. Aber ich mache sehr deutlich, wie ich eine Szene haben will. Das hört sich nicht anders an, als wenn ich meiner Vierjährigen gegenüber streng auftrete. Ich wechsle am Set nicht die Persönlichkeit.

Sie schreiben Ihre Drehbücher immer selbst. Steht Ihr Computer am Küchen- oder am Schreibtisch?

Coppola:

Seitdem die Kinder da sind, habe ich den Rat eines Freundes verinnerlicht: „Gewöhn dich dran, auch mitten im Chaos zu arbeiten!“ Also stehle ich mir die Zeit zum Schreiben, und wenn der Laptop auf dem Küchentisch steht. Aber meist kann ich mich in mein kleines Büro zurückziehen.

In Ihren Filmen befassen Sie sich oft mit Teenagern, ihrer Verwundbarkeit und Orientierungslosigkeit. Sie standen lange im Schatten ihres Vaters Francis Ford Coppola. Wann haben Sie Ihre eigene Identität gefunden?

Coppola:

Natürlich bin ich stolz auf meinen Vater und meine Herkunft. Aber ich habe immer genug Selbstvertrauen gehabt und meinen eigenen Stil. Ich nehme mir Zeit und mache das, woran mein Herz hängt. Ich brauche vielleicht mal etwas länger, um ein Drehbuch zu beenden, dann die Finanzierung auf die Beine zu stellen und schließlich zu drehen. Mir gefällt’s aber, in jeden einzelnen Bereich involviert zu sein.

Schauspieler haben ein gespaltenes Verhältnis zum Ruhm: Auf der einen Seite brauchen sie ihn, auf der anderen Seite ist er ihnen oft lästig. Ab wann empfinden Sie Beachtung als unangenehm?

Coppola:

Es ist wie mit allem anderen auch: Wenn es zu extreme Formen annimmt, ist es ungesund. Wobei Schauspieler ihren Beruf sicher gewählt haben, weil sie doch etwas mehr Aufmerksamkeit brauchen als andere. Sie beschweren sich oft zum Beispiel über PR-Events. Ich glaube aber, dass sie diesen speziellen Pressezirkus insgeheim mögen! (lacht)

Wie kommt es, dass immer von einem „Clan“ die Rede ist, wenn es um Ihre Familie geht? Sind Ihre Familienbande wirklich so eng?

Coppola:

Ja, wir sind sehr innig miteinander verbunden. Ich bin zwischen Filmkulissen groß geworden. Meine Brüder natürlich auch. Es ist eben das Familiengeschäft. Mein Bruder Roman etwa war Koproduzent bei „Somewhere“ und „The Bling Ring“. Ich fand’s schön, den großen Bruder am Set zu haben. Dabei leitet er American Zoetrope, die Produktionsfirma der Familie. Daher habe ich es ihm hoch angerechnet, dass er da war, um mir beizustehen.

Verheiratet sind Sie mit Thomas Mars von der Band Phoenix, ein Halbdeutscher. Stehen Sie mit dem deutschen Teil der Familie auch in engem Kontakt?

Coppola:

O ja. Meine Schwiegermutter kommt aus Hamburg, und ich verstehe mich sehr gut mit ihr. Romy, meine Große, sieht übrigens total deutsch aus. Sie ist blond und hat blaue Augen.

Romy, Cosima – eine Affinität fürs Deutsche ist unverkennbar!

Coppola:

Romy heißt sie nach meinem Bruder Roman. Natürlich mochte ich auch Romy Schneider immer sehr gern. Und Cosima kam zu ihrem Namen, weil ihr Vater ein großer Fan klassischer Musik ist.

„The Bling Ring“ läuft ab 15.8. im Abaton und Cinemaxx Dammtor. Eine Filmkritik lesen Sie am Donnerstag im LIVE-Magazin