Die Schweizer Musikerin Sophie Hunger und ihre exzellent aufspielende Band rufen bei ihrem Hamburger Konzert im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel Bewunderung hervor.

Hamburg. Nach dem Konzert von Sophie Hunger am Montag auf Kampnagel gilt es erst einmal, die auf dem Heimweg eingeatmeten Fliegen wieder auszuhusten. Denn das Erlebte dieses gelungenen Abends lässt einem noch nach Stunden den Mund offen stehen.

Schon mehrfach ist die Eidgenossin aus Zürich in Hamburg aufgetreten und hinterließ stets einen überzeugenden Eindruck. Trotzdem schafft sie es mit Leichtigkeit, ihr Gastspiel beim internationalen Sommerfestival im voll besetzten k6 in bislang ungeahnte Höhen zu treiben. Bot das etwas glatte neue Album „The Danger Of Light“ (2012) vielleicht noch Grund zur Skepsis, so wird diese schon mit dem ersten Lied „Rerevolution“ zerstreut. Wie Godzilla über Tokio muss Sophie Hunger über die Arrangements der Albumversionen von „Heharun“ und „Holy Hells“ oder den älteren Liedern wie „Shape“ und „Your Personal Religion“ hergefallen sein, um sie Stein für Stein, Takt für Takt, neu errichtet auf die Bühne zu bringen.

So wird „Holy Hells“ zu einer Pop-Oper von Stadionformat, wie gemacht für eine Show in einer großen Arena, die sonst von einer Norah Jones oder Alicia Keys zum Gähnen gebracht wird. „Souldier“ klingt wie Gala-Soul im Sinne von Adele. Und doch wird sich keine Minute dem Mainstream angebiedert. Zu komplex sind die filigranen Details und die vielschichtigen Melodiebögen, die durch die Schwaden von Bühnennebel und dampfenden Körpern dringen. Dafür sorgt neben Hunger an Klavier, Gitarre und Mundharmonika ihre wieder unfassbar kompakt aufspielende, fünfköpfige Begleitband.

Aber was heißt schon begleiten? Wie ihre Bandleaderin wechseln Alexis Anérilles, Sara Oswald, Alberto Malo, Simon Gerber und Mattis Cederberg das Instrumentarium, brillieren zwischen Bass und Trompete, Piano und Flügelhorn, Minimoog-Synthesizer und Cello. Wenn der in Köln lebende Schwede Cederberg die Posaune ansetzt, stellen sich im Publikum die Haare auf, so einschüchternd wirkt der gigantische Wikinger. Seine kräftigen Akzente schmettern wie Hiebe, sein zärtliches Flüstern hingegen lockt und verwirrt wie Sirenengesang.

Und Sophie Hunger geht völlig im Zusammenspiel bei „Citylights Forever“, „Your Personal Religion“, „1983“ und bei einer A-cappella-Einlage mit ihrer Band auf. Sie lacht, tanzt, schäkert und erzählt Anekdoten, wie man es bei ihr zumindest in Hamburg noch nicht erlebt hat. Von der einst scheuen, introvertierten Persönlichkeit ist bei der jetzt 30 Jahre jungen Künstlerin überhaupt nichts mehr zu spüren. Das Publikum ist angesteckt und fordert erfolgreich Zugabe auf Zugabe. Es bekommt leise Töne mit dem ergreifenden „Walzer für niemand“ sowie „Encore“, das simple wie eingängige „LikeLikeLike“ und zu bester Letzt nach 100 Minuten noch einen krachenden Rocker mit „The Tourist“.

Die 1100 Besucher dieses Konzertabends zerstreuen sich, Hunger und Band mischen sich im Foyer unter die Leute. Zwei Bekannte treffen sich und starren sich mit weit aufgerissenen Mündern an: „Ohnglohloch“, sagen sie unisono. Ja, wirklich unglaublich.