Der Erfolg des Food-Magazins „Beef!“ katapultiert den Chefredakteur Jan Spielhagen in die Hall of Fame der deutschen Esspäpste wie Siebeck & Co.

Es gibt dieser Tage vermutlich wenige Print-Journalisten, die tiefenentspannt in die mittelfristige Zukunft schauen können. Jan Spielhagen ist einer von ihnen, ein gemütlich wirkender 42-Jähriger mit wachen, beinahe schon listigen Augen und einem dezenten Hüftring. Letzteres gehört zu seinem Berufsrisiko, der Mann hat schließlich „Beef!“ ersonnen, das Kochmagazin speziell für Männer, aktuell nominiert für die renommierten Lead Awards als „Magazin des Jahres“. Und jetzt fahren sie Volldampf bei Gruner & Jahr, bauen ihm eine Profiküche, lassen die Redaktion ins Haupthaus umziehen, und Spielhagen wird zusätzlich ein weiteres, neues Food-Magazin übernehmen, das aus dem Chefkoch.de-Webportal heraus entwickelt wurde.

„Beef!“ dagegen entstand aus dem Bauch heraus. Und aus dem Kopf. Das Heft ist das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs des Verlagshauses im März 2009, und Spielhagen, damals Chefredakteur von „Healthy Living“ (inzwischen eingestellt), streifte wie ein Trüffelschwein durch Bahnhofsbuchhandlungen. Dabei fiel ihm auf, dass es zwar Magazine für „kochaffine“ Männer oder „Feinschmecker“ gab. Aber keines für „aktive, fein kochende Männer“. Spielhagen, Genüssen eher zugewandt als weiblichen Gesundheitsthemen, wunderte sich, denn Männer kochten seiner Meinung nach schon immer besser als Frauen, „weil sie kochen wollen, während Frauen zumeist kochen müssen“. Er und drei Kolleginnen gewannen den Ersten Preis, der angesichts der damals herrschenden Zeitschriftenkrise jedoch ein wenig enttäuschend ausfiel. „Uns wurde nur eine Ausgabe zugesichert“, erinnert er sich. „Die Ziele lauteten 20.000 Leser und zehn verkaufte Anzeigen. Wir verkauften aber 20 Anzeigen und erreichten aus dem Stand heraus 50.000 zahlende Leser.“ Das überzeugte den damaligen Vorstand. Im März 2010 kam die zweite Ausgabe heraus, seit Anfang dieses Jahres erscheint „Beef!“ alle zwei Monate. Ausverkaufte Hefte erzielen bei Ebay-Auktionen inzwischen mehrere Hundert Euro.

Es war ein fulminanter Blattschuss. „Männer tummeln sich gerne im großen küchentechnischen Bereich. Sie lesen begierig alles über Espressomaschinen oder Grills, sie informieren sich so lange, bis sie alles zu wissen glauben – und dann schlagen sie zu“, analysiert Spielhagen. Beim Einkauf achteten Männer auch nicht so sehr auf den Euro, und dann sei da ja auch noch dieses archaische Männerdings: „Grillen, also offenes Feuer, oder auch mal mit dem ganzen Unterarm in den Truthahn rein.“ Von oben, in die Halsöffnung selbstverständlich. „Für Männer beginnt die Lust am Essen bereits beim Einkaufen. Sie steigert sich mit dem Kochen. Es ist ihnen wurscht, wenn sie eine Flasche Rotwein in die Sauce schütten und die andere Flasche bei der Arbeit selbst austrinken.“

Vor zehn Jahren hätte das „Beef!“-Konzept vermutlich nicht funktioniert, glaubt Spielhagen. Aber vor vier Jahren stimmten wohl die Voraussetzungen: Kochen wurde als lustvoller Ausgleich und produktive Entspannung zum täglichen Rattenrennen im Job angesehen. Kochen wurde zum Hype, Köche wurden zu TV-Stars, und viele Frauen überließen die Küche ihren Männern. Auch die kulinarischen Einflüsse anderer Länder hatten sich hierzulande endgültig etabliert; in einem Land, in dem Essen vorwiegend der Energiezufuhr gedient hatte. „Wichtig war aber auch, dass die Küche nicht mehr durch und durch weiblich war: Ein breitschultriger Mann mit Unterarmtätowierung würde doch niemals ein Gulasch in einem Kochtopf mit Prilblumenmuster aufsetzen.“ So hieße es auch nicht mehr „Moulinette“, sondern „Mixer“.

Spielhagen kennt seine Zielgruppe: Es sind Männer aus höheren Bildungsschichten und Gehaltsebenen, die bereit sind, den Geschlechtersprung mitzumachen, ohne ihre Männlichkeit dabei aufzugeben.

Die opulente Optik des Magazin kann sensible Gemüter verschrecken

„Viele unsere Leser rufen uns rasch vorm Rückflug aus New York noch vom Gate beim Einsteigen an und fragen, wo sie in Deutschland bloß dieses wunderbare Steak kaufen könnten, das ihnen am Abend vorher im Restaurant serviert wurde.“ Selbstverständlich bekämen alle Anrufer eine Antwort, denn die Leser-Blatt-Bindung sei in diesem Zeitschriftensegment ungeheuer wichtig. Dass mit den Magazinen „Meet“ aus dem Hause Burda und mit dem „Griller“ aus der Axel Springer AG gerade zwei Nachahmerprodukte versuchen, auf dem neuen journalistischen Fleisch- und Genussmarkt Fuß zu fassen, macht Spielhagen keine Sorgen. „Von ‚Meet‘ hätte ich mir gewünscht, dass sie uns nicht hundertprozentig kopieren. Und der ‚Griller‘ ist auf seine Art gut gemacht – aber das Produkt wendet sich nicht an unsere Zielgruppe“, urteilt er milde.

„Granaten vom Grill“ heißt die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe von „Beef!“, und da man für einen Copypreis von 9,80 Euro mehr bieten muss als bloß ein Sammelsurium von Rezepten, Tipps und Tricks, leistet man sich einen blutrünstigen Kurzroman („Schlachtfest – Nur für harte Kerle“) als Beilage und eine 40-seitige (!) Bildstrecke über die Verwertung eines glücklich gestorbenen Rindviechs. Da blättert man dann eine Seite um und starrt auf ein freigelegtes Rindergehirn. „Männer finden das nicht zu hart. Die gucken auch toten Schweinen beherzt in die Augen, während Frauen auf solche ‚Übertreibungen‘ gut verzichten können“, sagt Spielhagen. „Aber wir bieten viel Augenzwinkern. Während auf Frauenmagazinen draufsteht ‚Achtung, jetzt wird es lustig‘, gebärdet sich ‚Beef!‘ mit seiner teilweise etwas schnodderigen Sprache so, wie Männer in der Kneipe sind: mit ironischem Grundrauschen.“

Hinter dem martialischen Image versteckt sich jedoch auch eine ernsthafte Botschaft: Es gehe letztlich auch um die Würde von Gottes Geschöpfen, meint Spielhagen: „Wenn wir Menschen Tiere töten, um sie zu verwerten, dann sollen sie auch wirklich sinnvoll, das heißt restlos verwertet werden.“ „Beef!“ sei daher nicht als Aufruf zum hemmungslosen Fleischkonsum zu verstehen oder gar als Werbemittel für Massentierhaltung. Nicht zuletzt seien gerade die Aufzucht oder die humane Art der Schlachtung entscheidend für die Qualität auf dem Teller. „Tiere, die artgerecht aufwachsen durften und als glückliche Kreaturen starben, schmecken einfach besser.“ Das gelte auch für alles, was im Wasser schwimmt. Trotzdem wird „Beef!“ mit der wachsenden Zahl der Vegetarier und Veganer niemals ein inniges Verhältnis eingehen. Dafür schätzten erstaunlich viele Frauen das Magazin, da ihre Männer am Wochenende nicht mehr ihrem Fußballverein hinterherreisen oder an Autos rumschrauben würden. Sondern mit den Kindern auf den Markt gingen und sie später in der Küche sogar häufig mitschnipseln ließen. „Und wenn dann die Gäste kommen, darf der Kerl ruhig ein wenig angeben. Denn er hat sich als Familienmensch eingebracht, und so ist dann alles alles gut.“

Mit der neu entdeckten Lust am Kochen entwickeln Männer Familiensinn

Vermutlich hat sein Magazin ebenfalls Anteil daran, dass einige ehemalige Schürzenjäger inzwischen zu Schürzenträgern mutiert sind. Dass Hightech-Grills von der Größe eines Kleinwagens als Statussymbole unterm Carport dienen. Dass vor allem aber auch die Qualität der Lebensmittel in Deutschland besser wird, weil die Konsumenten stärker darauf achten, was sie sich täglich einführen. „Food ist die neue Fashion“, glaubt Spielhagen. Und sei es nicht schön zu erfahren, dass man anstatt des ewigen Schweinenackens auch amerikanische „Flank-Steaks“ auf den Grillrost legen könne?

Spielhagen, verheiratet mit einer Journalistin, sie haben drei Kinder, sagt, er habe schon immer gerne gekocht, seine Frau jedoch nicht. Insofern habe sich auch sein Leben trotz des Erfolges kaum verändert, außer „dass ich vielleicht gelassener geworden bin“. Dann fällt ihm jedoch ein: „Wenn wir jetzt irgendwo eingeladen sind, fliegt mir manchmal ein halbes Schwein in die Arme. Oder der Gastgeber brüllt ‚Ey, Jan, ich hab einen Strang Roastbeef mit Kette gekauft: Du weißt doch, wie das geht?‘ Dann muss ich ran an den Grill, und die Erwartungshaltung ist hoch.“ Aber Rechtsanwälte oder Ärzte erlebten auf Partys ja Ähnliches, und überhaupt gäbe es viel, viel Schlimmeres.