Mehr als eine Literaturverfilmung: Kleists „Michael Kohlhaas“ als Low-Budget-Projekt

Zwei Männer treffen aufeinander. Der Jüngere heißt Lehmann und führt gerade sein erstes großes Projekt durch. Doch plötzlich, mitten in der Arbeit, platzt seine Finanzierung, umgehend machen sich die ersten Angestellten aus dem Staub. „Ein freier, denkender Mensch bleibt da nicht stehen, wo das Schicksal ihn hinstößt“, zitiert Lehmann mit erhobener Faust einen Brief von Heinrich von Kleist und appelliert an die Übriggebliebenen, auch ohne Bezahlung zu ihm zu stehen. Die Arbeit geht weiter. Vorerst. Der andere Mann ist lange und gut im Geschäft, bis er eines Tages gegen einen falschen Steuerbescheid klagt und nicht Recht bekommt. Als dann auch noch seine Frau ermordet wird, sieht er rot. Sein Name: Michael Kohlhaas, von Beruf Pferdehändler und Hauptfigur der gleichnamigen Novelle von Heinrich von Kleist.

Lehmanns Projekt ist die Verfilmung von „Michael Kohlhaas“. Sie beginnt als Kostümschinken, doch schon am zweiten Drehtag wird die komplette Ausstattung beschlagnahmt, das Filmteam fliegt aus dem Hotel. Zuflucht gewährt ihnen der Bürgermeister einer schwäbischen Gemeinde, der die Dorfkneipe als Unterkunft und ein paar Rinder als Pferde-Ersatz organisiert. Nebenbei erklärt sich der Provinzfürst zum Produzenten.

„Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ verwebt die Geschichten von Lehmann und Kohlhaas nach und nach so dicht miteinander, dass schließlich Regisseur und Held nicht mehr voneinander zu trennen sind. Obwohl an allen Ecken Brüche in den Grenzen zwischen Realität und Inszenierung lauern, ist der Low-Budget-Film ästhetisch aus einem Guss – nicht zuletzt Dank einer herausragenden Kamera, des pointierten Sounddesigns und der verschmitzt historisierenden Musik.

++++- „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ Deutschland 2012, 93 Minuten, ab 6 Jahren, R: Aron Lehmann, D: Robert Gwisdek, Jan Messutat, täglich im 3001; www.missingfilms.de