Die Französin Gisèle Vienne zeigt ihre Performance „The Pyre“ beim Sommerfestival

Eine Inszenierung von Gisèle Vienne zu sehen, ist, wie sich auf einen David-Lynch-Film einzulassen. Man muss auf das Unerwartete, auch mal Unwillkommene vorbereitet sein.

Bildstark gelang das Vienne, einer Französin mit österreichischen Wurzeln, in ihrer Arbeit „This is how you will disappear“, die vor einigen Jahren auf Kampnagel gastierte. Dröhnende Drone-Doom-Metal-Klänge, gigantische Nebelskulpturen von Fujiko Nakaya und ein echtes Walddickicht zauberte sie auf die Bühne. Ein Trainer nötigt eine Turnerin zur Perfektion, ein Glam-Rockstar wankt von Schuld murmelnd durchs Dickicht. Der Text aus dem Off raunt dazu allerlei Düster-Romantisches. Am Ende geschieht ein Mord.

„Wir müssen uns dem Schrecken stellen. Das ist gesünder“, sagt Vienne. Und das tut sie auch mit ihrer neuen Arbeit „The Pyre“ („Der Scheiterhaufen“), die vom 14. bis 16. August beim Internationalen Sommerfestival gastiert. Erneut schart sie dafür ihr Team um sich: den US-Autor Dennis Cooper sowie die Musiker Stephen O’Malley und Peter Rehberg, die gemeinsam als Noise-Duo KTL firmieren. Diesmal schickt sie die Tänzerin Anja Röttgerkamp vor einer komplexen Soundtapete durch eine Lichtlandschaft des Designers Patrick Riou. Angesiedelt irgendwo zwischen Nachtclub und der Neonfassade einer modernen Großstadt. Die Tänzerin ist eine zeit- und ortlose Figur, typisch für Vienne, wie auch für Lynch. Eine Kopfgeburt. Pure Psychologie. Mit ihren Bewegungen zeichnet Röttgerkamp ein Tableau Vivant. Der sterbliche Körper erfährt in der Abstraktion eine Überhöhung.

Im zweiten Teil gesellt sich ein kleiner Junge hinzu und spielt mit Röttgerkamp eine Serie von hypothetischen Monstrositäten und Exzessen durch. Die Intensität im Spannungsverhältnis zwischen An- und Abwesenheit interessiere sie, so Vienne etwas verklausuliert. Am Schluss gleitet das Abstrakte in Realität über und mischt sich mit dem Cooper-Text zu einem fast konventionellen Narrativ. Da er kaum hörbar ist, wird er an die Zuschauer zum Nachlesen verteilt. „The Pyre“ fügt sich damit hervorragend in das Programm des Sommerfestivals, indem es hier vor allem um den Austausch der Künste und die Kreation neuer Hybride geht. Die 37-jährige Vienne begreift sich als Choreografin, Regisseurin, Performerin und bildende Künstlerin gleichermaßen. Mancher wittert in dem dann doch sehr eindrucksvoll Illustrativen der Aufführung eher aufgeblasenes Nichts. Mit Unverständnis reagierten Kritiker auf „Eternelle Idole“ im Young Directors Project der Salzburger Festspiele 2012. Dessen ungeachtet reißen sich Festivals weiterhin um die so harmlos wirkende junge Künstlerin mit dem Hang zu dunklen Fantasien.

Dass ihre Anfänge im Figurentheater liegen, merkt man Viennes Arbeiten bis heute an. Häufig benutzt sie menschengroße Puppen, deren Gesichter verstört in die Welt blicken und im Betrachter eine Assoziationswelle auslösen. In „The Pyre“ dürfte sie abermals den Schlusspunkt mit einem Überraschungseffekt setzen.

Gisèle Vienne: „The Pyre“ 14. bis 16.8., jew. 21.00, Kampnagel (Bus 172,173), Jarrestraße 20-24, Karten zu 12,- bis 24,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de