Sopranistin Anna Prohaska und Schauspieler Lars Eidinger überzeugten beim SHMF

Rellingen. Sie kam, sang und siegte. Ausnahmesopranistin Anna Prohaska als Ophelia wickelte das Publikum in der Rellinger Kirche vom ersten bis zum letzten wehmütigen Lied um den kleinen Finger. Anders als in Shakespeares Drama „Hamlet“, in dem die verhinderte Herzdame des düsteren Dänenprinzen im Grunde nur eine Nebenrolle spielt, hatte sie bei dem ungewöhnlichen Konzertabend mit Theaterstar Lars Eidinger als ihr Gegenpart Hamlet im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals viel Raum für den Schwanengesang der verzweifelt-wahnsinnigen Frauenfigur. Und den wusste sie zu nutzen.

Einfühlsam und uneitel begleitet von Eric Schneider am Flügel spazierte ihr warmer, transparenter Sopran scheinbar schwerelos durch die Oktaven und Epochen der Lieder rund um Ophelias Tragik. Ihre Sirenenstimme ließ die melancholische Schönheit aus John Dowlands Feder blühen, meisterte Arthur Honeggers verstörende Dissonanzen und adelte elegische Preziosen von Schubert bis Brahms. Spätestens bei Berlioz’ „La mort d’Ophélie“ hatte die zierliche Sängerin, die mit dunklen offenen Haaren über einem weiten Kleid auch optisch einer verlorenen Meerjungfrau ähnelte, auch den Letzten am Haken.

Ihre mitreißende Wirkung entfaltete diese expressive Ophelia nicht zuletzt deshalb, weil Gegenpart Lars Eidinger, berühmt geworden als extrovertierter Hamlet an der Berliner Schaubühne, betont zurückgenommen agierte. Aber deshalb wirkte er nicht weniger scharfkantig, im Gegenteil. Im nüchternen schwarzen Anzug, mit minimalen Gesten und beinahe unbeweglicher Mimik feuerte er wie ein Racheengel zwischen den Liedern zynische Salven ab. Selbstzweifel, Frauenhass, Konsumkritik, Verachtung – Eidinger schickte seine präzise gemeißelten Monologe in Richtung Publikum. Und unter diesen Monologen lauert eine dünne Schicht eiskalter Wut.

In einem anrührenden, manchmal erschreckenden Pas de deux umkreisten die ungleichen Partner Themen wie Wahnsinn und Tod jeweils aus ihrer Perspektive. Sie warfen Fragen auf, statt Antworten zu geben. Sie rührten an, sie polarisierten. Ihr wütender und traurig-schöner Abgesang auf Leben, Liebe und Träume ging unter die Haut.