Die Ausstellung zum Zeitschriftenpreis Lead Awards hat im Haus der Photographie ihre Pforten geöffnet. Besucher haben die Gelegenheit über einen Publikumspreis abzustimmen.

Hamburg. Vor etwa sechs, sieben Jahren schlenderte der damalige Chefredakteur des Magazins der „Süddeutschen Zeitung (SZ)“, Dominik Wichmann, der heute den „Stern“ verantwortet, durch die Ausstellung der Lead Awards in den Deichtorhallen. Eine Fotostrecke eines kleinauflagigen Magazins erregte seine Aufmerksamkeit. Das Blatt stellte ein Interview nach, das der Fotograf Philippe Halsman 1948 mit Fernandel geführt hatte. Der französische Filmstar durfte dabei nur mit Mimik und Gestik antworten. Wichmann war von der Idee begeistert. Und so entstand die Interviewrubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ des „SZ-Magazins“, die ganz ohne Worte auskommt.

Markus Peichl erzählt diese Geschichte, wenn man ihn fragt, was er mit dem Zeitschriftenpreis Lead Awards eigentlich bewirken will. Mit der Präsentation der besten Fotostrecken der Branche will der Vorsitzende der Lead Academy Zeitschriftenmacher inspirieren. Er will auf gute Fotografen aufmerksam machen und Redaktionen ermuntern, ihnen die Freiheiten zu geben, die sie für ihre Arbeit brauchen. Dieser Anspruch ist eine Konstante in der mittlerweile mehr als 20-jährigen Geschichte der Lead Awards.

Ansonsten hat sich der Preis in den letzten Jahren jedoch immer wieder neu erfunden. So werden seit 2012 auch Zeitungen prämiert, weil sie in Layout und Anspruch immer mehr Zeitschriften ähneln. Gleich 25 Zeitungsbeiträge fand die Jury in diesem Jahr preiswürdig. Die tagesaktuelle Berichterstattung hat sich derweil ins Internet verabschiedet. Einen Online-Preis gibt es bei den Lead Awards schon seit Längerem. Und statt der Anzeige des Jahres wird seit zwei Jahren die beste Werbe-Idee prämiert, die sich in allen möglichen Mediengattungen beweisen muss.

Neu ist ein Preis für das beste Magazin, das für einen Tablet-PC produziert wird

Zu den Neuerungen dieses Jahres zählt die Einführung eines „Preises der Akademie“. Er wird an etablierte Zeitschriften vergeben, die sich neu erfunden haben. Nominiert sind in dieser Kategorie der „Stern“, „Capital“ und der „Feinschmecker“.

Neu ist auch der Preis für das beste Tabletmagazin des Jahres, also für elektronische Magazine, die auf dem Tablet-PC zu lesen sind. Die Lead Academy hatte sich schon im vergangenen Jahr mit der Idee beschäftigt, einen solchen Preis zu verleihen, mangels preiswürdiger Kandidaten dieses Vorhaben aber zunächst aufgeschoben. Mit neun Nominierungen von „Welt“ bis „Geo“, von der „FAZ“ bis „Freunde von Freunden“ scheint die Zeit für einen solchen Preis nun aber reif zu sein.

Die Lead Academy müsse sich angesichts der digitalen Revolution immer wieder fragen, wie zeitgemäß ein Preis für Printfotos noch sei, sagt Peichl. Und es müsse möglich sein, Fotos einzubinden, die nur online erscheinen. Eins sei jedenfalls klar: „Wir werden nicht enden wie der Kutscher von 1903, der sich auf die Schenkel klopfte und sagte: ,Alles paletti, Pferdedroschken wird es immer geben.“

Für übertriebene Zukunftssorgen gibt es einstweilen aber noch keinen Anlass. Trotz der Medienkrise hätten die Medienmacher einen sehr guten Job gemacht. „In diesem Jahr hat es mehr beeindruckende Arbeiten gegeben als in vielen Jahren zuvor“, sagt der Vorsitzende der Lead Academy.

Peichl hat beobachtet, dass der Fotoanteil in den Magazinen zunimmt. Die Fotografen würden immer mehr zu ihren eigenen Produzenten. Ihre Fotos seien nicht länger nur Auftragsarbeiten von Bildredaktionen und Verlagen. Sie würden ihre Arbeiten mehr als früher vorfinanzieren. Die Fotostrecken, die dabei entstehen, seien besonders privat und intim, denn ihre Urheber würden sich vorzugsweise mit Dingen beschäftigen, die sie ganz persönlich berühren.

Als Beispiel nennt Peichl die Fotostrecke „Die ersten Jahre mit meinem Sohn“ von Christopher Anderson. Der kanadische Kriegsfotograf hat hier mal nicht Tod und Zerstörung, sondern die ersten drei Lebensjahre seines Filius‘ festgehalten. Ein weiteres Beispiel ist die Strecke „Ein großer Fang“ des Fotografen Corny Arnold, der auf einem Fischtrawler mitfuhr. Auf einem solchen Schiff hat Arnold einst selbst gearbeitet.

Generell sei die Bildsprache der nominierten Bilder ruhig. Das sei auch der Hamburger Fotografen-Ikone F.C. Gundlach aufgefallen, den er bereits durch die Ausstellung geführt habe, sagt Peichl: „Die Fotografen setzen eine laute Ruhe gegen das laute Laute.“

Erstmals beginnt die Ausstellung sieben Wochen vor der Preisverleihung, die am 13. September stattfindet. Diesen Umstand nutzt die Lead Academy zu einer weiteren Neuerung: Das Publikum, das nun die Gelegenheit hat, alle nominierten Arbeiten in Augenschein zu nehmen, kann über einen Publikumspreis abstimmen. Kooperationspartner der Lead Awards ist dabei das Abendblatt. Auf abendblatt.de wird es ab kommender Woche die Möglichkeit geben, seine Stimme für seinen Favoriten abzugeben.