Der philosophisch-melancholische Rom-Film „La Grande Bellezza“ ist wie pure Magie

Wo kann sich ein Sinnsucher besser verlieren als in Rom, dieser ewigen Stadt. Zwischen Plätzen, Brunnen, Villen, Hügeln und dem Dazwischen, den Leidenschaften und Lastern. In „La Grande Bellezza“ (Die große Schönheit) von Paolo Sorrentino werden ihre verwunschenen Gassen erneut zur in sakrale Klänge getränkten Kulisse eines Mannes auf der Suche nach sich selbst. Ein Zitat von Céline vorausgeschickt: „Reisen ist ein Gewinn, lass die Fantasie arbeiten. Der Rest ist Enttäuschung und Mühe.“

Jep Gambardella (Toni Servillo) hat vor Dekaden einen erfolgreichen Roman verfasst. Dabei ist es geblieben. Heute ist er als Kulturreporter unterwegs in Nischen der Kunst, die ihm selbst nichts bedeuten. Sein 65. Geburtstag markiert eine Wende. Und Gambardella wird sich schmerzlich der Überflüssigkeit der Partygesellschaft bewusst, der er selbst angehört. Flanierend, in sich hinein philosophierend, sucht er fortan die ultimative Schönheit. Wie einst Marcello Mastroianni in Fellinis „La Dolce Vita“ streift er durch die Stadt, immer wieder auf den Jet-Set-Partys landend, die ihm immer nichtswürdiger erscheinen. Wie beim italienischen Großmeister wird auch hier das Taumeln von einem Rausch zum nächsten zum Offenbarungseid einer Gesellschaft, die am Abgrund tanzt ohne es zu merken.

Sorrentinos Verbeugung vor Fellini, aber auch Scola oder Ferreri ist deutlich, aber gleichzeitig gelingt ihm mit „La Grande Bellezza“ etwas ganz Originäres, Trauriges und Schönes zugleich. Denn die Welt ist eine andere. Es ist eine der Feste in edlem Gemäuer, der zugedröhnten Seelen auf der Suche nach Nähe und verlorener Jugend – und einer ratlosen Kirche. Auf die großen spirituellen Fragen hat der Klerus hier nur noch Kochrezepte parat. Nichts ist bloßes Dekor. Bei aller Freude am Visuellen, am Auswalzen der Symbolik, ist „La Grande Bellezza“ ein wahrhaft tiefsinniger Film.

Mittendrin steuert Toni Servillos Gambardella schicksalhaft auf sein Ende zu. Würdevoll trägt er seine perfekt sitzenden Anzüge und zurückgeschleimten Haare durch die schwach beleuchteten Straßen Roms. Trifft reichlich abgehalfterte, von der Darstellerriege toll gespielte Ladys, die eine mehr oder weniger geglückte Lebensbilanz ziehen, aber auch alte Freunde und Weggefährten und gewinnt am Ende sogar etwas wie eine wirkliche Freundin. Das, was er sucht, die ultimative Schönheit, findet er natürlich nicht oder nur augenblickshaft in der Erinnerung an eine lang verlorene Liebe. Selbst in seinem die eigene Desillusionierung über das schale süße Leben in Gin Tonic ertränkenden Zynismus ist Servillo („Il Divo“) sehenswert. Mit Sorrentino hat er bereits den vierten gemeinsamen Film realisiert. Am Ende dämmert Gambardella und uns allen die nicht mal mehr beunruhigende Erkenntnis: „Alles endet stets mit dem Tod.“ Ein Film wie pure Magie, der jede Minute lohnt.

Bewertung: empfehlenswert

„La Grande Bellezza“ I/F 2013, 142 Min., ab 12 J., R: Paolo Sorrentino, D: Toni Servillo, Carlo Verdone, Sabrina Ferilli, täglich im Abaton (auch OmU), Elbe, Holi, Zeise; www.lagrandebellezza.de