Zurzeit wird in Hamburg die 50. und letzte Folge der erfolgreichen ZDF-Krimireihe gedreht. Hauptdarsteller Wolfgang Stumph ist am Set dennoch bestens gelaunt

Der Schauspieler Wolfgang Stumph nimmt die Dinge gern in die Hand. Auch die Dinge, für die eigentlich andere zuständig sind. Sein Trick: Er macht es auf so höflich-hilfsbereite Art, dass sich alle Anwesenden unter die Arme gegriffen fühlen statt bevormundet. Stumpf hat für den ZDF-Pressetermin sämtliche Fotomotive festgelegt, Sofa, Klingelschild, Vater-Tochter-Bild, Widerspruch ist zwecklos. Er hat die Journalisten mit Handschlag begrüßt und wahrscheinlich auch die Sache mit dem Sonnenschein an unbekannter Stelle gedeichselt. Als er in den Wohnwagen verschwindet, in dem sich die Maske befindet, würde man wetten, dass er sich den Puderpinsel schnappt und drauflosmalt. Es kursiert das Gerücht, dass der ein oder andere Producer am Set schon um seinen Job gebangt hat.

Es ist einer der letzten Drehtage der allerletzten Folge der Krimireihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“. Und somit gewissermaßen ein historischer Fernsehmoment. Hinter den Kulissen, versteht sich. Der alltagsnahe Wilfried Stubbe, im Hauptberuf Familienmensch, für die spätere Rente bei der Hamburger Polizei beschäftigt, schoss nach Start in den 1990er-Jahren geradeaus in die Zuschauerherzen. „Stubbe“ ist der erfolgreichste ZDF-Krimi am Sonnabend, kommt gelegentlich auf bis zu neun Millionen Zuschauer und einen schwindelerregenden Marktanteil von über 25 Prozent. Das ist mehr als „Bella Block“ und „Rosa Roth“ erreichen und jenseits der Krimi-Eintagsfliegen, über die heute niemand mehr spricht. Der Einschaltrekord ist auch das Verdienst von Hauptdarsteller Stumph, der irgendwo zwischen Schnauzbart, die Augen umspielenden Lachfalten und strammer Gesundheit hohes Identifikationspotenzial birgt. Der etwas angestaubte Begriff Volksschauspieler trifft den Sachverhalt ziemlich gut.

Gedreht wird an diesem windstillen Sommertag am Moorfleeter Deich – ein für das Stubbe-Team vertrauter Ort. Auf der einen Seite nichts als Wasser, auf der anderen breitet sich der Möbelverleih „Die Gestalter Brinkmann“ auf großer Fläche mit lebensgroßen Deko-Pferden und Palmen aus. Ebenfalls auf dem Gelände reckt sich das efeubewachsene Stubbe-Häuschen mit den roten Giebeln in die Höhe, durch dessen Tür abwechselnd Frau, Tochter, Lebensgefährtin und Schwiegertante des Kommissars marschierten. Im Gepäck Lebenskrisen, Alltagsknatsch und jede Menge guter Ratschläge.

Das Sozialsystem Familie war bei „Stubbe“ immer ähnlich wichtig wie der jeweilige, gerne sozialkritische Fall zwischen St. Pauli und Blankenese. In heutigen Fernsehzeiten ist das Standard, früher war’s ein Alleinstellungsmerkmal. „Stubbe“ hat mit der Konvention gebrochen, dass ein Fall spannend und möglichst vertrackt sein muss. Durch die Stubbe-Brille betrachtet schien dem Publikum selbst der Zoff im Kaninchenzüchterverein erzählenswert. Ob Wettmanipulation im Fußballclub, Versicherungsbetrug oder die Ermordung einer Sachbearbeiterin beim Jugendamt – der Kommissar, der weder durch analytischen Scharfsinn glänzte noch durch aufsehenerregende Stunts, wälzte sich paar Stunden auf seinem Sofa und knobelte schließlich die Lösung aus. „Ich bin Horizontaldenker. Ohne das Sofa hätte ich keinen Fall gelöst“, ist so ein typischer Stubbe-Satz. Er glaube nicht, dass Stubbe je eine Tür mit der Schulter eingedrückt habe, sagt Autor und Regisseur Peter Kahane. „Stubbe ist der unterschätzte Kommissar. Er schaut sich die Leute genau an und denkt sich seinen Teil.“ Die Beliebtheit des Formats erklärt Kahane mit seiner Lebensnähe: „Wie erzählen nicht abgehoben. Und immer gebrochen. ‚Stubbe’ ist kein Kitsch, sondern pures Leben.“ Nun wird der Schlussstrich gezogen. Vorläufig, muss man dazu sagen. Nicht auszuschließen, dass Stubbe irgendwann durch die Hintertür wieder in den Kreis der Fernsehkommissare einschert; er wäre beileibe nicht der erste. Aber davon will an diesem Nachmittag niemand etwas wissen. Wenn man Wolfgang Stumpf auf das bevorstehende Serienende anspricht, grinst der nur. Wehmut? „Momentan überwiegt die Freude. Darüber, dass wir so lange so erfolgreich waren.“ Die Stimmung beim Team sei blendend. „Dass es zu Ende geht, merkt man vor allem daran, dass Schilder geklaut werden, auf denen ‚Stubbe’ steht“, sagt Stumph. Er hat in seiner Karriere einen Deutschlehrer mit Goethe-Tick gespielt („Go, Trabi, Go“), Ministerpräsidenten, Schrebergärtner, Weihnachtsmänner. Der Stubbe ist längst untrennbar mit ihm verbunden. „Ein bisschen bin ich’s ja selber“, sagt Stumph. „Aber ich bin nicht ganz so spießig wie der Stubbe.“ Er guckt einem in die Augen, wenn er spricht. Nicht ohne sich zu erkundigen, ob das Aufnahmegerät auch läuft. „Es geht mit Stumphsinn weiter. In anderen Filmen“, sagt er. Den Namenswitz macht er in so ziemlich jedem Interview. Es gehört zum Erfolgsrezept des Schauspielers, dass sich die ewige Wiederkehr des Gleichen nicht abgenutzt anfühlt, sondern lediglich vertraut, wie eine zu oft erzählte Familienanekdote.

In „Mordfall Maria“, der finalen Stubbe-Folge“, die im Januar im ZDF zu sehen ist, rückt das Privatleben des Kommissars noch einmal in den Fokus. Und es gebe eine Menge Premieren, erzählt Producer Johannes Pollmann. Stubbe und sein Partner Zimmermann werden sich nach all den Jahren endlich duzen. Wohl ist allerdings keinem dabei. Kein einziges Mal wird Stubbe in seinem Bett schlafen, dafür eine Nacht im Kommissariat verbringen. Und er muss eine Entscheidung treffen. Ganz allein. „Ein bisschen Blues-Stimmung“, nennt es Producer Pollmann.

Stumph scheucht unterdessen Fotografen und Team zum mit Stockflecken übersäten Stubbe-Sofa, das heute für die Kameras auf dem Deich thront, ruft Kommandos, knipst sein Sympathielächeln an, klatscht zum Wechsel. Er tut es mit so viel Inbrunst, dass man nach ein paar Minuten überzeugt ist: Dem Mann würde wahrscheinlich auch die Präsentation der Sauerstoffmaske im Flugzeug Spaß machen. Vorausgesetzt, es schauen genug Leute zu. Bei „Stubbe“ muss man sich darüber nun wirklich keine Sorgen machen.