In der Komödie „Willkommen auf dem Land“ krempeln Senta Berger und Günther Maria Halmer ihr Leben um

Als sie über die Schwelle tritt, ist sie schockverliebt. Er möchte beim Anblick der dringend renovierungsbedürftigen Fassade am liebsten fluchtartig zurück ins Auto spurten. „Das ist ja noch viel schöner als auf den Fotos“, sagt Rita. „Hier stinkt es“, sagt Leo. Er ahnt bereits, dass er aus dieser Nummer nicht unbeschadet wieder herauskommt. „Willkommen auf dem Land“ erzählt von einem Ehepaar an der Grenze zum Ruhestand, das sein Leben komplett umkrempelt. Rasen mähen statt Vollzeitjob, Eigenheim in Mecklenburg-Vorpommern statt Berliner Mietwohnung mit wasserkastengroßem Balkon. Im Schlagerdeutsch würde man sagen, dass jeder Abschied auch ein neuer Anfang sein kann. Im deutschen Komödienfach geht es natürlich darum, dass der Wechsel in eine neues Leben nicht ohne einen beschwerlichen Hindernislauf vonstatten geht. Wer bislang dachte, Gemüse züchten und Feuer anzünden falle in die Kategorie „Gesundes Pfadfinderwissen“, sieht sich im Film von Tim Trageser („Die Lehrerein“) eines Besseren belehrt.

Das Haus hat sich zum grundlegenden Lebensbedürfnis ausgewachsen

Vordergründig schlägt der Regisseur einen betont leichten Ton an, gewürzt mit Ackerbaupointen und jeder Menge Ost-West-Konfliktpotenzial, geschult am flotten Dialogtempo amerikanischer Screwballkomödien. Unter der Oberfläche aber klingen die großen Fragen des Lebens in der späteren zweiten Hälfte an. Welche Träume lassen sich noch umsetzen? Wo hat man bei seinen Bedürfnissen geschlampt und bekommt eine (letzte) Chance, die Dinge zurechtzurücken? „Willkommen auf dem Land“ mag sich als Rüstige-Rentner-Komödie tarnen, in Wahrheit ist der Film ein Sinnstück über das Leben als solches.

Für die kinderlose Rita hat sich das Haus auf dem Land zu einem grundlegenden Lebensbedürfnis ausgewachsen. Leo dagegen windet sich, will lieber noch an der Karriere feilen und ist, wenn es um das enge Zusammenrücken der Familie geht, ohnehin eine vernarbte Seele. Senta Berger und Günther Maria Halmer sind so glaubhaft wie unterhaltsam anzusehen als Langzeitpaar, das immer noch im richtigen Takt schlägt, aber durch die vielen Kompromisse ein bisschen mürbe geworden ist. „Du hast Karriere gemacht, und ich habe das gemacht, was gerade ging“, sagt Rita. Sie sagt es mit diesem gewissen handfesten Nachdruck und dem klaren Blick, den kaum eine Schauspielerin so beherrscht wie Berger. Nicht unglücklich, aber um jeden Preis entschlossen.

Der Umzug ist nicht wegzudiskutieren, das muss Leo recht bald einsehen. Die Idee ist zwar im Freundeskreis nicht mehrheitsfähig, das neue Haus ganz offensichtlich viel zu groß. Nicht eine, sondern gleich drei Generationen hätten hier Platz. Trifft sich also gut, dass Leos Teenagerenkelin recht bald von ihrer Mutter zu den Großeltern aufs Land verpflanzt wird. Trifft sich weniger gut, dass Elisa ein tiefunglückliches Stadtkind ist, das sich überwiegend von Cola und Salamipizza ernährt. Der Film rückt die windschiefen Familienverhältnisse ins Licht, ohne allzu grundsätzlich zu werden. Autorin Laila Stieler behält ihr Erzählziel stets klar vor Augen. Sie muss nicht in der Vergangenheit der Figuren wühlen, um innere Frostschäden sichtbar zu machen.

Die filmische Grundstimmung ist ein Gefühl zwischen Sehnsucht und Heimweh. Rita verklärt die Idylle unter klarblauem Himmel, Leo zieht sich auf miesepetrige Skepsis zurück. Hat keinen Handyempfang im kilometerweiten Garten, hinter dem Zaun warten bloß die bekloppten Nachbarn. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

„Willkommen auf dem Land“, Freitag, 19.7., 20.15 Uhr, Arte