Nicolas Winding Refns Unterweltdrama „Only God Forgives“ erinnert in seinem Aufbau an eine griechische Tragödie

Ein ausgesprochen negativer Ruf eilt „Only God Forgives“, dem neuen Film von Nicolas Winding Refn, voraus. Der Nachfolger des hochgelobten Thrillers „Drive“ sei blutrünstig, prätentiös und sinnloses Hochglanz-Kino. Beim Filmfestival in Cannes fiel Refns Unterweltdrama bei den meisten Kritikern durch. In Interviews rechtfertigt der dänische Regisseur sich gegen die Vorwürfe und sagt: „Es ist nicht meine Absicht, Gewalt als cool zu zeigen.“ „Only God Forgives“ ist ein doppelter Rachefeldzug in einem verbrecherischen Milieu, Gewalt gehört hier zur Tagesordnung.

Der eine selbst ernannte Racheengel ist der ehemalige Polizist Lieutenant Chang (Vithaya Pansringarm), der den Sumpf aus Gewalt, Gier und Geilheit in Bangkoks Rotlichtviertel austrocknen will. US-Drogendealer Billy (Tom Burke) ist der Erste, der mit dem Leben bezahlen muss. Er hat eine junge Thai-Prostituierte vergewaltigt und ermordet. Kommentar seiner Mutter Crystal zu dem maßlosen Verbrechen: „Er wird seine Gründe gehabt haben.“ Die Mutter, von Kristin Scott Thomas als rasende Furie und Inkarnation des Bösen gespielt, drängt ihren zweiten Sohn Julian (Ryan Gosling), Billys Tod zu rächen. Julian wird zum Werkzeug in den Händen der Mutter. Rache widerstrebt ihm, doch er schafft es nicht, sich aus der Umklammerung der Mutter zu lösen und startet die Jagd nach Vergeltung. Refn hat seinen Film wie eine griechische Tragödie inszeniert, die unausweichlich abläuft. Die Figuren darin erheben sich auf eine übermenschliche Stufe. Chang nimmt eine gottähnliche Position ein, indem er sich anmaßt, im Sinne der Gerechtigkeit über Leben und Tod zu entscheiden. Crystal, diese blonde Ausgeburt der Hölle, bezieht eine ähnliche Position. Julian gerät zwischen die Fronten dieses gnadenlosen Kampfes, er kann bei seinem Versuch, Gott in Person von Chang herauszufordern, nur scheitern.

Refn hat dieses Drama in blutroten oder blauen Neon-Bildern, mit stoischer Langsamkeit und kargen Dialogen inszeniert. Die exotische Realität Bangkoks verschwindet dahinter, sein tödliches Dreieck läuft in einer hyperrealen Vorhölle ab. „Only God Forgives“ ist große Filmkunst, die explizite und extrem stilisierte Gewaltdarstellung gehört zu dieser Rachemission – auch wenn sie für manchen nur schwer aushaltbar ist. Refn ist ein Regisseur, der in all seinen Filmen Exzesse auf die Spitze treibt. „Only God Forgives“ passt in die Reihe seiner Vorgänger wie „Bronson“ und „Drive“. Refn sagt über seine Arbeit: „Sie ist die Zusammenfassung aller Filme, die ich gemacht habe.“ Und: „Der zweite Feind der Kreativität ist nach dem guten Geschmack die Vorsicht.“

++++- „Only God Forgives“ USA/F/DEN 2013, 90 Min., ab 16 J., R: Nicolas Winding Refn, D: Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, , tägl. im 3001 (OmU), Cinemaxx Dammtor, Savoy (OF), UCI Mundsburg/Wandsbek, Zeise (OmU); Internet: http://dpaq.de/bla7t