Hamburg . „Willkommen zu einem Tag vor 80 Jahren“, ist auf der Website „On this day“ zu lesen, die der schwedische Schriftsteller Torkel S. Wächter ins Netz gestellt hat. Die Geschichte setzt am 30. Januar 1933 ein und erzählt mit authentischen Briefen, Tagebuchnotizen und behördlichen Dokumenten das Schicksal von Gustav Wächter, dem jüdischen Großvater des Autors, nach. Schon 2010/2011 hatte Torkel S. Wächter mit www.32postkarten.com ein Echtzeitprojekt begonnen, in dem er 70 Jahre zeitversetzt jene 32 Postkarten ins Netz stellte, die seine Großeltern als letzte Lebenszeugnisse an ihren nach Schweden emigrierten Sohn geschickt hatten. Die letzte Karte trägt das Datum 6. Dezember 1941, es ist der Tag, an dem Gustav Wächter und seine Ehefrau Minna nach Riga deportiert wurden.

Im zweiten Teil des Projekts geht es jetzt um das Jahr 1933, um den Aufbruch in eine Zeit, deren mörderischen Charakter am Anfang kaum jemand ermessen kann. Gustav Wächter ist ein gewissenhafter und untadeliger Hamburger Finanzbeamter, der sich drei Jahrzehnte lang nie etwas zuschulden kommen ließ. Aber schon kurz nach der „Machtergreifung“ intrigieren einige Kollegen gegen den Beamten, der nur aufgrund seines „mosaischen Glaubens“ ins Visier der braunen Machthaber gerät. Das Vermittlungsverfahren, das nun gegen Wächter eingeleitet wird, soll nichts aufklären, sondern einen Menschen aus dem Weg räumen. Er wehrt sich, bis er erkennt, dass es nicht um Wahrheit und Gerechtigkeit geht und dass er gar nicht gewinnen kann. Schließlich resigniert der Beamte und lässt sich zwangspensionieren.

Akribisch hat Torkel S. Wächter in Hamburger Archiven recherchiert, hat Zeitzeugen befragt, mit Historikern gesprochen und aus vielen Mosaiksteinen das Schicksal seines Großvaters rekonstruiert, das ganz typisch ist für jene Zeit, die sich gerade anschickt, Menschen millionenfach zu schikanieren und auszugrenzen, zu beleidigen und zu berauben und schließlich zu deportieren und zu ermorden.

http://www.onthisday80yearsago.com