Der Hamburger Regisseur Lars Becker dreht zurzeit auf St. Pauli seine neue Komödie „Wir machen durch bis morgen früh“ mit Heike Makatsch in der Hauptrolle

Hamburg. Mittag ist um 23 Uhr. Es gibt Lasagne. Heike Makatsch steht in einem langen Steppmantel vor dem Kombüsenwagen an, um schnell etwas zu essen, bevor die Arbeit weitergeht. Regisseur Lars Becker setzt sich erst gar nicht unter den kleinen Zeltpavillon, er isst im Stehen. Zurzeit dreht er in Hamburg mit Schauspielern wie Makatsch, Armin Rohde und Fahri Yardim die Kiez-Komödie „Wir machen durch bis morgen früh“. Das Basislager steht auf dem Heiligengeistfeld. Hier sind die Technik-Lkws und ein paar Wohnmobile geparkt, hier wird gegessen und die Zeit zwischen den einzelnen Drehs überbrückt. Gerade ist die Crew mit Kameramann, Regisseur und dem Trailer, auf dem die Kamera installiert ist, ins Lager zurückgekehrt. Gefilmt wurde eine Taxifahrt, dafür ist der beige Mercedes, in dem die Schauspieler sitzen, auf einen Anhänger montiert worden.

„Autofahrten sind am schlimmsten“, sagt Lars Becker. Sind die Schauspieler richtig zu verstehen? Fängt die Kamera die Szene exakt ein? Stimmt das Timing beim Dialog? Man merkt Becker die Anspannung der vergangenen Stunden an, als das lange Gefährt immer wieder durch die Stadt kurvte, um eine Szene von einer Minute und 40 Sekunden in den Kasten zu bekommen. „Du hast keinen Einfluss auf das, was da im Taxi passiert.“

Becker ist eigentlich Spezialist für harte Fernsehkrimis, die „Nachtschicht“-Serie im ZDF gehört zu seinen erfolgreichsten Arbeiten. Immer wieder dreht und schreibt er auch Lustspiele. „Beim Krimi bestimmt jede Szene den Plot. Bei Komödien benötigst du ein ganz anderes Timing. Und man muss aufpassen, dass man nicht in den Klamauk abrutscht oder nur bescheiden komödiantisch rüberkommt“, sagt er.

„Wir machen durch bis morgen früh“ erzählt die Geschichte eines turbulenten Wochenendes. Melanie Struttmann, gespielt von Heike Makatsch, will sich mit ihren Freundinnen Emma und Loretta (Christina Hecke und Katja Danowski) amüsieren, Ehemann Ali (Yardim) passt unterdessen auf den kleinen Bobby auf. Doch dann wird Ali von einem fiesen Kiez-König (Armin Rohde) entführt und eine Tour de Force durch die Hamburger Nacht beginnt.

Gedreht wird mitten auf dem Kiez, an diesem Abend zwischen der Großen Freiheit 36 und der Thai-Oase. Aus dem Karaoke-Schuppen dröhnt Donna Summers „Hot Stuff“, zwei angeschickerte junge Frauen versuchen sich drinnen als Discoqueens. Draußen bringt die Crew die Kamera in Stellung, der Tonmeister richtet sich ein, ein Schminktischchen und eine Ablage für Getränke werden gegenüber dem berühmten Musikclub aufgestellt. Der Regieassistent holt die Komparsen aus den „O’Neills“, einem Irish Pub, der als Wärmehalle für die Nebendarsteller dient. Wie kein anderer Regisseur kennt Becker den Kiez, viele Jahre hat er unweit des Drehortes gewohnt, für die „Nachtschicht“ und andere Krimis hat er die „sündige Meile“ mit ihrem einzigartigen Flair oft als Szenerie benutzt.

Um einen möglichst reibungslosen Ablauf hat sich Nic Dietrich gekümmert. Der Motiv-Aufnahmeleiter hat die nötigen behördlichen Genehmigungen bei der Davidwache eingeholt und Halteverbotsschilder in der Schmuckstraße aufgestellt. „Es gibt keine Stadt in Deutschland, in der man so kooperativ mit der Polizei zusammenarbeiten kann wie in Hamburg“, sagt er. Schwieriger sind da schon die Verhandlungen mit dem „Milieu“, also den Gastronomen und Betreiber der Table-Dance-Bars. Wenn stundenlang vor ihren Geschäften Drehausrüstung steht, fürchten sie Einnahmeeinbußen. Aber Nic Dietrich, seit mehr als zehn Jahren im Geschäft, verfügt über die entsprechenden Kontakte und schafft es auch, Drehgenehmigungen für einen Sexclub wie das Safari zu bekommen.

Vor der Thai-Oase gibt es heute keine Probleme, auch die Große Freiheit 36 ist geschlossen. Lars Becker spricht mit seinen drei Schauspielerinnen die nächste Szene durch. In einem Taxi sollen sie vor die Thai-Oase fahren, aus dem Wagen springen und dann heftig diskutierend die Große Freiheit runterrauschen. Bevor die erste Klappe fällt, wird geprobt. „Die Schärfe ist ’ne Katastrophe“, ruft Kameramann Andreas Zickgraf. Auch Tonmeister Michael Kunz ist nicht amüsiert über den Lärm aus dem Karaoke-Schuppen. Es muss umgebaut werden, weil die Kamera sich im Kassenhäuschen der Großen Freiheit 36 spiegelt. Nächste Probe, Lars Becker ist noch nicht zufrieden, bespricht in aller Ruhe mit Makatsch, Danowski und Hecke ihren Laufweg. Nach vier Proben der erste richtige Dreh. Das Kommando gibt Eric Schwarz, Aufnahmeleiter am Set. „Wir drehen. Ton ab.“ „Läuft.“ „23.2., die Erste. Primärton.“ „Losfahren.“ Die Klappe knallt, und das Taxi setzt sich in der Schmuckstraße in Bewegung.

Am Steuer sitzt Tedros Teclebrhan, besser bekannt als Teddy Comedy. Sein YouTube-Clip „Umfrage zum Integrationstest (was nicht gesendet wurde)“ wurde mehr als 20 Millionen Mal geklickt, unter jungen Leuten ist der schlanke Schauspieler und Komödiant aus Eritrea eine Kultfigur. Becker verfolgt die Szene auf seinem Monitor, doch eine Kleinigkeit stört. Nächster Versuch. Klappe, die zweite. Das Taxi stoppt, die Szene läuft, doch zwei echte Droschken fahren vor. Eric Schwarz kann sie gerade noch stoppen, sodass sie nicht in die Szene brettern. Nach vier Klappen ist der Perfektionist Becker zufrieden.

Doch die Nacht ist noch lange nicht zu Ende. Makatsch und ihre Kolleginnen müssen noch zwei weitere Szenen am anderen Ende der Großen Freiheit am Beatles-Platz drehen. Das heißt: wieder warten, Kaffee trinken, sich bibbernd in dicken Jacken gegen die Kälte schützen und dann auf den Punkt konzentriert spielen. Inzwischen ist es 2.15Uhr. Aber endlos kann nicht gefilmt werden. Um 4.51 Uhr geht die Sonne auf, dann ist dieser Drehtag vorüber.