Wong Kar-wai erzählt im Martial-Arts-Drama „The Grandmaster“ die Legende vom Ip Man in berauschenden Bildern

Manchmal kann auch das Unfertige etwas Meisterliches haben. Acht Jahre hat Wong Kar-wai an seinen neuen Film „The Grandmaster“ gearbeitet und sich dann wohl mit der Schnittzeit verschätzt. Auf eine Weise großartig ist der Film dennoch, vielleicht weil Wong Kar-wai auch in seinen besten Filmen, etwa dem Hong Kong-Epos „Chungking Express“ schnell, spontan und immer irgendwie improvisiert wirkt. Nur verlangt das Martial-Arts-Genre eher nach der Präzision, die seinem ersten Genreversuch, „Ashes of Time“ zu eigen ist.

„The Grandmaster“ erzählt eine epochale Geschichte, die Legende von Ip Man, gespielt von Tony Leung, und Gong Er, Zhang Ziyi. Ip Man galt als Mentor des großen Bruce Lee. Er zählt zur südlichen Kung-Fu-Schule des Wing Chun, sie ist Tochter eines Großmeisters aus dem Norden, der sich der Versöhnung konkurrierender Schulen verschrieben hat. 1936 wird zum Schicksalsjahr. Der Norden ist von Japan besetzt, China droht der Zerfall. Gongs Vater dankt ab, nicht ohne für einen letzten minutiös choreografierten Kampf mit Ip Man in den Süden zu reisen. Ip Man gewinnt. Doch Gong Er fordert ihn zur Rettung der Familienehre heraus. Die politischen Unruhen, Intrigen, Flucht und Exil, Gelöbnis und Tradition werden das Glück, um das es vielleicht zwischen diesen kunstfertigen Kämpfern gehen könnte, verhindern.

Der Film ist ein für Wong Kar-wais Bildsprache visuell herausragendes Gemälde, Körper, denen der Regisseur jahrelanges Kung-Fu-Training auferlegt hat, begegnen einander in Slow Motion, Blicke lauern. Mal in den üppigen Interieurs eines Bordells und zugleich Kampfkunst-Treffs der 1930er-Jahre, mal im strengen Schneefeld oder im Starkregen. Das ist pure opulent ausgestattete Schönheit und mehr als das.

Den ganzen Film durchzieht eine Schwermut, die von verpassten Gelegenheiten, einem Gefangensein in der Geschichte und einer unerbittlichen Strenge gegen sich selbst zeugt. Leider verhindert sie auch jedes individuelle Handeln. Alle Entscheidungen sind im Gestern gefallen. „Im Leben ist es wie im Schach“, sagt Ip Man an einer Stelle. „Ein gemachter Zug bleibt auf dem Brett.“ Diese philosophische Erkenntnis gilt auch für den Film. Er ist ein Abenteuer für Sinne und Seele. Aber er hätte auch ganz groß werden können.

++++- The Grandmaster HK 2013, 120 Min., ab 12 J., R: Wong Kar-Wai, D: Zhang Ziyi, Tony Leung Chiu, Song Hye-kyo, Chang Chen, ab 12 Jahren, täglich im Abaton, Cinemaxx Harburg, UCI Mundsburg/UCI Othmarschen;