Bildende Kunst

Ai Weiwei und Pablo Picasso in Neumünster

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Matthias Gretzschel

Foto: Skulpturenpark Neumuenster

Die Ausstellung „Back To Earth“ in Neumünster zeigt Skulpturen, Installationen und andere Arbeiten von weltberühmten Künstlern. Auch Pablo Picasso und Ai Weiwei sind mit Werken vertreten.

Neumünster. Keramik ist eines der ältesten künstlerischen Materialien. Schon in vorgeschichtlicher Zeit haben Menschen nicht nur Gefäße, sondern auch Figuren aus Ton geformt, und seither spielt Keramik in der Kunst eine wichtige Rolle. Allerdings auch im Kunstgewerbe, was der Grund dafür sein dürfte, dass das irdene Material im allgemeinen Bewusstsein inzwischen eher mit Töpferei als mit freier Kunst in Verbindung gebracht wird. Zu Unrecht, meint der Kunsthistoriker Martin Henatsch, der in der Gerisch-Stiftung Neumünster mit einer sehenswerten Ausstellung dazu einlädt, Keramik in der Kunst wiederzuentdecken. „Back to Earth. Von Picasso bis Ai Weiwei“, heißt der Titel der höchst ambitionierten Schau, die für das private Museum in organisatorischer wie finanzieller Hinsicht ein Kraftakt gewesen sein dürfte. Insgesamt 130 Skulpturen, Installationen und andere Arbeiten von 75 Künstlern aus zahlreichen Ländern zeigen einerseits die Kontinuität im Umgang mit diesem Material, zum anderen aber auch ein gerade unter zeitgenössischen Künstlern wachsendes Interesse daran.

Der zeitliche Rahmen des Rückblicks reicht bis zur klassischen Moderne, die durch Werke von Picasso, Miró und Barlach vertreten wird. Aber statt eines chronologischen Rundgangs durch die Ausstellungsräume in der Villa Wachholtz, die Gemisch-Galerie und den Park bietet die Schau thematische Zuordnungen, etwa unter den Titeln „Beseelte Materie“, „Spuren des Lebens“, „Explosives Geschirr“ oder „Konstruktionen von Weiblichkeit“. Auffällig ist zunächst die enorme Bandbreite künstlerischer Gestaltungen, die oft mit den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten des Materials spielt. Zu den spektakulärsten Objekten gehört ein sechs Meter langer Riesenkalmar, den David Zink Yi aus Ton geformt hat. Der Kippenberger-Schüler Tobias Rheberger, selbst auf dem internationalen Kunstmarkt längst gefragt, verbindet handwerkliche Form und künstlerischen Ausdruck in durchaus humorvoller Weise mit seinen Porträtgefäßen. Dabei verpasst er Keramikvasen die Gesichtszüge von Künstlerfreunden.

Manche Objekte fallen erst auf den zweiten Blick auf, um dann eine umso irritierendere Wirkung zu entfalten. So erweist sich das bunte, harmlos wirkende Spielzeug der britisch-palästinensischen Künstlerin Mona Hatoum als Handgranate aus Ton und Yvonne Lee Schultz bestückt eine mit Zwiebelmuster Geschirr eingedeckte Kaffeetafel mit Porzellanpistolen, die das gleiche Dekor aufweisen. Einen besonderen Bezug zum Werkstoff Keramik pflegt der chinesische Künstler Ai Weiwei, der in einer Fotoserie dokumentiert hat, wie er eine 2000 Jahre alte Urne aus der Han-Dynastie vor der Brust hält und sie anschließend fallen lässt, sodass sie zerborsten zu seinen Füßen liegt. Damit bezieht er sich zum einen auf die Jahrtausende alte Tradition keramischer Werke in der chinesischen Kultur, zugleich aber auch auf die bis heute nicht aufgearbeitete Kulturrevolution unter Mao Tse-tung, der aus ideologischen Gründen zahllose historische Kunstwerke zum Opfer fielen. In Neumünster ist eine jener antiken Vasen zu sehen, die Ai Weiwei mit dem Schriftzug „Coca Cola“ versehen hat, was ebenfalls als politisches Statement zu verstehen ist und sich auf die Spannung zwischen Tradition und moderner Warenwelt bezieht.

Eigens für die Ausstellung schuf der Berliner Ausstellungsarchitekt Roger Bundschuh sechs Glaspavillons, die über den ganzen Park verteilt sind und jeweils einzelne Werkgruppen beherbergen. Durch die verschiedenen Ausstellungsorte in den einzelnen Gebäuden, den Pavillons und auf dem Areal des historischen Landhausgartens ergeben sich immer wieder neue Erlebnisräume, in denen den Besuchern keramische Kunstwerke in allen Materialqualitäten und Verarbeitungsformen begegnen, von Terrakotta bis zum glasierten Porzellan, Majolika, Steingut und Fayence.

„Back to Earth“ Herbert-Gerisch-Stiftung,

Neumünster, Brachenfelder Straße 69, Mi–So 11.00–18.00 Sa/So 11.00–19.00