Im Zusammenhang mit einem Unternehmensumbau könnten bis zu 400 Stellen des Zeitschriftenhauses wegfallen

Hamburg. Es war der letzte Schultag, als der Vorstand von Gruner + Jahr („Stern“, „Geo“) am Mittwoch seine Belegschaft zu einer Mitarbeiterversammlung ins Foyer des Verlagshauses am Baumwall lud. Diese Veranstaltungen, die verlagsintern auch „Flurfunk“ genannt werden, sind mal mehr mal weniger interessant. Nicht wenige Beschäftigte rechneten damit, dass die Vorstandsmitglieder des angeschlagenen Zeitschriftenhauses, das 2012 mit einem Verlust von 11,3 Millionen Euro abschloss, ein paar Durchhalteparolen von sich geben würden, um der Belegschaft anschließend einen schönen Urlaub zu wünschen. Zunächst schien es auch so: „Gruner + Jahr wird ein führendes Haus der Inhalte bleiben – auch in der digitalen Welt“, sagte die Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel. Dann jedoch erläuterte Produktevorstand Stephan Schäfer die neue Digitalstrategie des Hauses und stellte in Aussicht, dass redaktionelle Portale ohne Gewinnperspektive zu reinen Vermarktungsplattformen herabgestuft werden.

Leichte Unruhe kam aber erst auf, als gegen Ende der Veranstaltung Operationsvorstand Oliver Radtke sagte: „Die Herausforderung in einem sinkenden Markt ist es auch, mit weniger Menschen mehr Produkte – Print und Digital – zu machen.“ Das klang dann schon bedrohlich nach Stellenabbau. Doch einen Schreck bekamen die G+J-Mitarbeiter erst, als sie am Donnerstag ins „Handelsblatt“ schauten. 200 Arbeitsplätze wolle das Zeitschriftenhaus in den kommenden fünf Jahren in Deutschland abbauen, stand dort in einem Bericht über die Mitarbeiterversammlung zu lesen. Mancher Branchendienst verstand das so, als sei die Zahl von 200 vom G+J-Vorstand bekannt gegeben worden.

Wohl deshalb ist man am Baumwall auf den Artikel der Wirtschaftszeitung nicht gut zu sprechen: „Wir wissen nicht, von welcher Veranstaltung das ,Handelsblatt‘ berichtet hat“, sagt ein G+J-Sprecher. „Das, was es berichtet, hat so nicht stattgefunden.“

Richtig ist, dass kein G+J-Offizieller auf dem Mitarbeitertreffen von 200 zu streichenden Stellen gesprochen hat. Doch die Wahrheit ist für die Belegschaft wohl noch ein wenig unerfreulicher: Wie es in Unternehmenskreisen heißt, könnten 300 bis 400 Arbeitsplätze wegfallen. Und ob sich der Personalabbau tatsächlich über fünf Jahre erstreckt, ist keineswegs ausgemacht. Von einem solchen Schritt wäre Hamburg, wo 2500 der 3500 deutschen G+J-Mitarbeiter beschäftigt sind, in besonderem Maß betroffen.

Offenbar will das Zeitschriftenhaus das Gros der Stellen durch Fluktuation, Vorruhestandsregelungen und die Nichtverlängerung befristeter Verträge abbauen. Betriebsbedingte Kündigungen werden aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Mit dem Betriebsrat wurde noch nicht über die bevorstehenden Maßnahmen gesprochen. Die Arbeitnehmervertretung hat aber aufgrund des Berichtes im „Handelsblatt“ den Vorstand zu seiner nächsten Sitzung eingeladen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di will sich „gegen den Personalabbau zur Wehr setzen“.

Die Stellenstreichungen sind Teil eines größeren Unternehmensumbaus, der wohl im Herbst beginnt. Wie das Fachblatt „Horizont“ berichtet, wird G+J seine Verlagsgruppen Agenda („Stern“, „Geo“) und Life („Brigitte“, „Schöner Wohnen“, „Gala“) auflösen. An ihre Stelle sollen sogenannte Communities of Interest treten. Diesen Begriff hat G+J bisher fast ausschließlich im Zusammenhang mit seiner neuen Digitalstrategie verwendet. Der Verlag will Online- und Printtitel organisatorisch zusammenfassen, die Zielgruppen mit besonderen Interessen bedienen. Gesetzt sind dabei die Themenfelder Kochen, Living, Family und Beauty & Mode. Diesen Interessensgemeinschaften sollen dann außer den redaktionellen Erzeugnissen des Hauses auch andere Produkte verkauft werden. Kochinteressierte könnten via G+J beispielsweise Bratpfannen, „Schöner Wohnen“-Leser Wandfarbe erwerben.

Generell ist jeder Titel aufgefordert, sich Gedanken über neue Produkte zu machen. Das gilt laut „Horizont“ auch für den „Stern“ sowie für Blätter mit den Themen Wissen und Reise. Diese Magazine gehören bisher zu keiner „Community of Interest“. Wo sie in der neuen Unternehmensstruktur verortet werden sollen, ist unklar.

Nicht alles wird Bestand haben. Das Auslandsgeschäft will G+J nach Angaben des „Handelsblatts“ massiv zurückfahren. Demnach wird der Verlag, der erst kürzlich sein Polen-Geschäft abstieß, sich auch aus Kroatien, Serbien, Spanien und Italien zurückziehen. Am Ende könnte es im europäischen Ausland nur noch in Österreich, Frankreich und den Niederlanden G+J-Niederlassungen geben. Allerdings ist es derzeit sehr schwierig, für einen vernünftigen Preis Käufer für Zeitschriftenverlage zu finden. Laut „Handelsblatt“ will die G+J-Mutter Bertelsmann zudem die Niederlassungen in den Wachstumsmärkten China und Indien übernehmen. Das Problem ist, dass sich die chinesischen Partner querlegen könnten, die bereits der Wechsel im G+J-Vorstand schwer irritierte.

Für den einst stolzen Verlag, der zuletzt die „Financial Times Deutschland“ einstellte und „Impulse“ und „Börse Online“ abstieß, sind das alles keine schönen Aussichten.