Ein Tisch und zwei Frauen einander gegenüber. Jede Regung ist sichtbar. Sonst gibt es nichts, was ablenken könnte. Als säße man im Theater in der ersten Reihe. Auf dieser so schlichten wie wirkungsvollen Versuchsanordnung baut der junge Regisseur Jan Fehse seinen Film „Jasmin“ auf, der im Untertitel „Die Geschichte einer Depression“ heißt und am heutigen Donnerstag im Spätprogramm der ARD läuft.

Der Fall, der hier verhandelt wird, ist drastisch. Die Psychologin Frau Feldt (Wiebke Puls) soll die junge Jasmin (Anne Schäfer) auf ihre Schuldfähigkeit untersuchen. Die Tat, die sie begangen hat, ist ungeheuerlich. Erst brachte sie Tochter Franziska um. Der eigene Suizid misslang. Erst nach und nach enthüllt der Film die Zerrissenheit der Figur, ihre gescheiterte Biografie, frühe Vernachlässigung, desaströse Partnerwahl, Krankheit und Not und zugleich die Sturheit einer jungen Frau, die sich weigert, in einer Notlage, in der es längst um Leben und Tod geht, um Hilfe zu bitten.

Dass der Regisseur seinen Film in nur vier Tagen fertigstellen konnte, liegt an der tollen Besetzung. Puls und Schäfer sind arrivierte Theaterdarstellerinnen. Beide haben in Hamburg am Schauspielhaus gearbeitet. Puls war maßgebliche Akteurin im Ensemble ihres früheren Ehemannes Tom Stromberg. Schäfer spielte in der Übergangsära nach dem Weggang von Friedrich Schirmer als Gast in „Cyrano“. Die Chemie zwischen den Frauen stimmte am Set sofort. Über die Gespräche entwickeln ihre Figuren eine Mitmenschlichkeit, die Jasmin moralisch nicht ihrer Verantwortung enthebt. Aber vor allem die Zuschauer fesselt. Die hohe Schule des Kammerspiels.

„Jasmin“ Do 20.6., 23.15 Uhr, ARD