„Unsere Mütter, unsere Väter“ ruft in Warschau sogar Demonstranten auf den Plan

Der ZDF-Mehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ hat in Polen für Wirbel gesorgt. In erster Linie wegen der Darstellung der polnischen Heimatarmee: Er zeigt zwar tapfere polnische Nazi-Gegner, die den Besatzern das Leben schwermachen, die aber dumpfe Nationalisten und Antisemiten sind.

Seit Menschengedenken oder zumindest seit Ernst Lubitsch’ „Sein oder Nichtsein“ hat kein deutscher Spielfilm dem polnischen Widerstand so breiten Raum eingeräumt. Und dann gleich so. Die Reaktion in Polen: Einhellige Empörung im Blätterwald, der polnische Botschafter in Berlin protestierte, sein Kollege in Washington bat die amerikanischen Sender, den Film nicht auszustrahlen, und vor dem Warschauer ZDF-Studio skandierten Demonstranten: „Wir fordern die Wahrheit.“

Nun hat aber der Chef des polnischen Fernsehens TVP, Juliusz Braun, eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Er finde zwar das polnische Kapitel im Film ebenfalls „unredlich“, bekräftigte er am Montag, doch zugleich gab er den Startschuss zur Ausstrahlung der Serie in seinem Sender. Das polnische Publikum solle die Gelegenheit erhalten, den in Deutschland von vielen gefeierten und zugleich heftig diskutierten Film selbst zu bewerten.

Schützenhilfe bekommen die Kritiker des Films von den Boulevardzeitungen, aber auch von der liberalen „Gazeta Wyborcza“ und von einem häufigen Gast in Warschau, dem früheren Knesset-Präsidenten Schewach Weiss. Der israelische Politiker, der als Kind von Ukrainern und Polen vor dem Holocaust gerettet wurde, sieht „seit vielen Jahren einen deutschen Brauch, Polen alle Sünden zuzuschieben“. Die Chance auf eine tiefer gehende Debatte wurde aber in beiden Ländern zunächst vertan. Sie hätte zum Beispiel den Fragen nachgehen können, die vor einigen Jahren in dem hilfreichen Buch „Deutsche und Polen – Hundert Schlüsselbegriffe“ angesprochen wurden.

Das ZDF hat inzwischen einen Dokumentarfilm zum Thema in Auftrag gegeben, der die Debatte bald fortsetzen soll: „Kampf ums Überleben – Polen unter deutscher Besatzung“.

Ein gutes Zeichen. Erst am Montag hatte Anna Wolff-Poweska, die Grande Dame der polnischen Deutschland-Forschung, die Aufregung um den Film etwas genervt mit den Worten quittiert: „Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr solcher Geschichten werden wir haben.“ Sie kenne nur ein Mittel dagegen, erklärte die 72-Jährige: „Bildung.“ Mögen ihre Worte in Erfüllung gehen.