„The Place Beyond The Pines“ ist eine gelungene Parabel auf die Krise des weißen Mannes

Das Bild, das Regisseur Derek Cianfrance an den Anfang von „The Place Beyond The Pines“ setzt, ist programmatisch für seinen (ersten) Protagonisten. Der Stuntman Luke verdient sein Geld damit, dass er auf Rummelplätzen halsbrecherisch mit seinem Motorrad in einer Stahlkugel rotiert. Und im Laufe der Handlung wird überdeutlich: Die Energie, die dieser Luke entfesselt, dreht sich tatsächlich im Kreis. Er kann seinem Milieu nicht entkommen. Sie ist ihm mit zahlreichen Tattoos eingeschrieben. Zudem hat Cianfrance seinen Hauptdarsteller Ryan Gosling mit weiteren Insignien des White Trash aufgeladen. Blondiertes Haar, zerrissene Metalshirts.

Als Luke erfährt, dass er mit seiner Liebschaft Romina (Eva Mendes) einen Sohn hat, wird sein Wille zum gesellschaftlichen Aufstieg angespornt. Und das bedeutet für den Mittellosen zunächst: finanzielle Sicherheit. Er beginnt, Banken auszurauben, wird jedoch bald von dem jungen Polizisten Avery (Bradley Cooper) gestellt. Cianfrance leitet an dieser Stelle erst die Wende ein, um die Geschichte des karrieristischen Cops zu erzählen und die Handlung letztlich bei den Söhnen der Hauptcharaktere zusammenzuführen.

Auch wenn der Film mitunter zu langatmig und konstruiert wirkt, stellt er doch wichtige Fragen. Zum Beispiel: Sind die Söhne frei von der Schuld der Väter? Wie stark bleiben Familien über Generationen hinweg in ihrer sozialen Herkunft verhaftet? Als Parabel auf die Krise des weißen Mannes ist „The Place Beyond The Pines“ gelungen. Sowohl Luke als auch Avery werden von ihrer Umwelt mit Etiketten versehen, die ihnen selbst unangenehm scheinen, aber doch zur schlecht sitzenden zweiten Haut werden. Der Habenichts wird vom Jahrmarkt-Schreier als der schöne, aufregende „handsome Luke“ angepriesen. Der Ordnungshüter, der bei einem Schusswechsel überreagiert, wird als Held gefeiert. Dass der Kinozuschauer spürt, wie wenig Selbst- und Fremdwahrnehmung zueinander passen, zählt zu den Leistungen dieses Dramas.

Die Diskrepanz der beiden Figuren liegt jedoch darin, dass bei der Unterschicht die Wunden offen daliegen. Das Blut rinnt auf das Pflaster. Bei der Mittel- und Oberschicht hingegen ist die Desillusion nach Außen hin nicht sichtbar, nur den Erfolg. Und diese Emporkömmlinge scheinen am Ende tatsächlich an ihre eigenen Lügen zu glauben. Gleißende Scheinwerfer überstrahlen die dunklen Seiten. Die alten bunten Kirmeslichter vom Anfang erzielen diesen Effekt nicht. An ihnen haftet zu viel (sichtbarer) Dreck.

++++- „The Place Beyond The Pines“ USA 2013, 140Min., ab 12 J., R: Derek Cianfrance, D: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, täglich im Abaton (OmU), Blankeneser, Cinemaxx Dammtor, Passage, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek, Zeise; www.beyondthepinesmovie.tumblr.com