Hamburgs Bühnen mischen sich heute in alle wichtigen gesellschaftlichen Fragen ein

Die gute alte Tante Stadttheater. Längst schon genügt es nicht mehr, dem Publikum Klassiker möglichst originalgetreu vorzusetzen. Das Theater von heute muss sich in der modernen Stadtgesellschaft verorten, sich in brennende Themen der Zeit einmischen, sich ästhetisch weiterentwickeln und unermüdlich versuchen, neue Besuchergruppen zu erschließen.

Das Buch „Der Kulturinfarkt“ der Autoren Klein, Knüsel, Opitz und Hasselbach lieferte im vergangenen Jahr den Aufreger zur Debatte. Auch Theater, das mit Steuergeldern subventioniert ist, steht unter einem ständigen Rechtfertigungsdruck. Dabei ist es eine unbedingt schützenswerte Bastion des kulturellen Gedächtnisses und einer lebendigen Zivilgesellschaft zugleich. Ein Tempel reiner Unterhaltung ist es nicht. Wie aber gehen Hamburgs Theatermacher heute um mit den Brettern, die die Stadt bedeuten?

Amelie Deuflhard versteht ihr Programm auf Kampnagel als genuin politisch. Position beziehen, Farbe bekennen durchdringt alle Programmbereiche des Hauses, das sie als Intendantin zu einer der bundesweit ersten Adressen für Tanz, Theater, Performance und Musik geführt hat. Sie reichen vom großen, publikumswirksamen Tanztheater international renommierter Choreografen bis zu experimentellen Formaten.

Den Gedanken vom „kosmopolitischen Stadttheater“ verfolgt Joachim Lux, dessen Vertrag kürzlich bis 2019 verlängert wurde, erfolgreich am Thalia Theater. Die interkulturelle Gesellschaft, die Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln umfasst, spiegelt sich in seinem Spielplan. Lux setzt dabei auf den Input seiner 23 Regisseurinnen und Regisseure, von denen neun einen „Migrationshintergrund“ haben – Gleiches gilt für ein Drittel des Ensembles – sowie auf spezielle Vermittlungsreihen wie „Thalia Migration“ und „Thalia International“. Außerdem hat Lux mit den „Lessingtagen“ ein Festivalformat etabliert, das im Sinne des Dichters mit Eigenproduktionen und Gastspielen für den Austausch von Völkern und Religionsgemeinschaften wirbt. Über „Die Bretter, die die Stadt bedeuten“ (18.30 bis 19.15, Auditorium maximum) sprechen Deuflhard und Lux mit den Politikern Manfred Lahnstein und Henning Voscherau.

Ab dem kommenden Herbst richten sich aller Augen auf das Deutsche Schauspielhaus, an dem die mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte neue Intendantin Karin Beier einen eigenen Weg zur Verankerung in der Stadt anstrebt. Mit dem neuen Logo, einem großen „D“ verweist sie spielerisch auf die vielfältigen Wurzeln ihres Publikums. Umgekehrt hat Beier einen entschieden internationalen Spielplan vorgelegt, in dem die Namen europäischer und außereuropäischer Künstler wie Katie Mitchell oder William Kentridge auftauchen.

Den Blick über den Tellerrand verbindet Beier mit dem aus der Stadt heraus angelegten Begegnungsprojekt „New Hamburg“. Über die Frage, ob sie in Hamburg mit diesen Plänen nun wirklich „Den Aufstand proben“ (20.30 bis 21.15, Auditorium maximum) wird, steht Beier dem Theaterkritiker Till Briegleb Rede und Antwort.

Damit könnte Hamburg bald drei große Bühnen haben, die sich politisch, sozial und künstlerisch in das urbane Leben einmischen. Und wahrhaft Bretter bespielen, die die Stadt bedeuten.

„Die Bretter, die die Stadt bedeuten“ 18.30 bis 19.15, Auditorium maximum„Den Aufstand proben“ Karin Beier im Gespräch mit Till Briegleb 20.30 bis 21.15, Auditorium maximum