Der Bremer „Tatort: Er wird töten“ mit Sabine Postel als Kommissarin Inga Lürsen ist ein Psycho-Kammerspiel auf der Polizeistation.

Auch Inga Lürsen darf lieben und geliebt werden, doch leider geht das amouröse Glück der Bremer Kommissarin früh zuschanden: Ihr Kollege Leo Uljanoff, zu dem sie gerade erst zarte Bande geknüpft hat, wird Opfer eines Verbrechens. Und zwar mitten im Kommissariat. Anders als in Til Schweigers erstem „Tatort“ „Willkommen in Hamburg“ ist es in Bremen keine lustige Toilettenszene, die in Erinnerung bleiben wird, sondern die Messerattacke auf den Polizisten.

Der „Tatort“ vom kommenden Sonntag heißt „Er wird töten“ und ist ein beinah Bremen-typisches Psycho-Kammerspiel, das sich vorwiegend auf der Polizeistation abspielt. Im Mittelpunkt der Handlung steht neben der trauernden Lürsen (Sabine Postel) die drogenabhängige Ärztin Marie Schemer (Annika Kühl), die paranoid vor den Ermittlungsbeamten sitzt und wirr von einer Bedrohung stottert. Nach und nach finden die Beamten heraus, dass das Trauma der Frau der Tod der Tochter ist, die im Kleinkindalter angeblich von ihrem Mann Joseph Vegener (Peter Schneider) getötet wurde. Der ist nach etlichen Jahren raus aus dem Knast und scheint nun auf Rachefeldzug zu gehen. Leo Uljanoff (Antoine Monot jr.) war es damals, der ihn hinter Gitter brachte.

Im „Tatort“ geben private Verwicklungen den Krimis oft eine spezielle Note und vielleicht sogar die richtige Würze – wenn der drehbuchtechnische Winkelzug denn richtig dosiert wird. In der neuen Bremen-Folge klappt das ganz gut, auch wenn die Verliebtheit der Kommissarin („Du tust mir gut, weißt du?“) berufsbedingt etwas zu schnell nach einer kurzen Phase der Paralyse in tatkräftige Polizeiarbeit übergehen muss. Dabei hilft ihr Kollege Stedefreund, der sich nach einer kurzen Auszeit wieder an die Seite seiner Kollegin gesellt. Leider geht es Stedefreund nicht gar zu gut, er sieht ziemlich fertig aus und ballert bei nichtigen Anlässen auch schon einfach mal mit der Knarre in die Luft. Das liegt daran, dass er gerade aus Afghanistan zurück ist, wo er auf einem Auslandseinsatz ein wenig Abwechslung zum Berufsalltag bekommen wollte.

Jetzt hat er mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen. Mit dem Fall hat dies nichts zu tun, es ist eine Art Zusatz, der die Entwicklung des Charakters Stedefreund noch weiter schärft. Mit dem Themenkomplex „Kriegseinsatz“ wirkt der „Tatort“ etwas überfrachtet, das schmälert aber nicht die Qualitäten dieser Folge. Denn spannend ist dieser Fall, obwohl man sich gemäß der wohlbekannten Förmchen im „Tatort“-Setzbaukasten natürlich schon früh denken kann, worauf dieser Fall ermittlungsmäßig hinausläuft. Marie Schemer, die Ärztin, wirkt natürlich wegen ihres Umgangs mit Amphetaminen – wo sie doch gleichzeitig schwanger ist – nicht wie die Person, der man rückhaltlos vertraut.

„Es sind die Kinder, die sich ihre Eltern aussuchen“ heißt es einmal in diesem von dem Hamburger Regisseur Florian Baxmeyer (Studenten-Oscar für „Die rote Jacke“) inszenierten Krimi. Es geht um Kinder und ihre Eltern und um die Dramen, die sich auch in den besten Familien abspielen; implizit auch um die zwischenmenschlichen Überreizungen und Anhänglichkeit, dargestellt am Beispiel des Bremer Ermittlerduos Lürsen und Stedefreund. Wie geht es da jetzt eigentlich weiter, bleibt er oder geht er?

Was mittlerweile nervt am Bremer „Tatort“ ist der Inga-Helen-Handlungsstrang: Die Mutter, deren Vorgesetzte die eigene Tochter ist, das taugt nur noch für müde Szenen wie die, in der die junge Polizistin ihre Leute vor der emotional aufgebrachten älteren Kollegin, eben Inga Lürsen, in Schutz nehmen muss. Die Kompetenzgerangel zwischen Mutter und Tochter wird noch für manche Reiberei und manche Pointe sorgen; schade, dass die Uljanoff-Episode schon wieder vorbei ist, sie brachte Drive in die zwischenmenschlichen Verwicklungen, der Neue machte den „Tatort“ aus der Hansestadt frischer. Die immer etwas betuliche Inga Lürsen hat ihren Appeal dennoch nicht verloren: In der Riege der „Tatort“-Kriminaler kann niemand so leidend gucken, und am Ende kann man den vorübergehend flügge gewordenen Stedefreund doch auch verstehen, dass er wieder zurück ins Bremer Nest gekrochen ist. Denn, und das passt zum Leitmotiv der Folge, mütterlich ist die Lürsen ja als Allererstes, es ist fast ihr Hauptcharakteristikum.

Weshalb die Liebesgeschichte mit Uljanoff notwendigerweise nicht gut gehen konnte; Lürsen als erotisch umtriebige Kommissarin — das wäre ja eine komplette Neuerfindung.

„Tatort: Er wird töten“ So 20.15 Uhr, ARD