In Wilhelmsburg gibt es vielfältige Kultur aus dem und für den Stadtteil. Koordinatorin: „Wir sind stolz und beeindruckt, was hier an musikalischer Vielfalt und nachbarschaftlichem Gestaltungswillen zutage tritt.“

Wilhelmsburg/Veddel. Das Programm zum Festival 48h Wilhelmsburg wirkt wie eine soziale Utopie, die Realität geworden ist. Wer jetzt an Gutmenschentum und Multikulti-Romantik denkt, der hat recht – und auch wieder nicht. Da laden fünf Jungs mit afrikanischen Wurzeln, die sich Them Lucky Swaggers nennen, zur Freestyle-Performance ins Künstleratelier von Rahel Bruns (Fr, 19 Uhr, Am Zollhafen 5b). Da tritt das Crossover-Trio Still In Search im Schaufenster der Boutique Wilhelmine auf (Fr, 19.30 Uhr, Veringstr. 27). Da spielt die Grup Mozaik am Spreehafen-Knie anatolische Volkslieder, begleitet von der Kindertanzgruppe des Türkischen Elternbundes (Sa, 15 Uhr, Klütjenfelder Hauptdeich).

Drei Beispiele, die zeigen, wie mannigfaltig die Elbinsel bis Sonntag mit Musik bespielt wird – und das bereits im vierten Jahr. Und im Unterschied zu so manchem Großprojekt, das derzeit über den Süden Hamburgs hereinbricht, kommen alle Ideen und Akteure für die 48-Stunden-Sause aus den Stadtteilen selbst.

Alle, die vom Schrebergarten bis zum Rialto-Kino, vom Krankenhaus bis zur Naturheilpraxis, von der Honigfabrik bis zur Soulkitchen-Halle ihre (oft improvisierte) Bühne finden, wohnen und/oder arbeiten in Wilhelmsburg und auf der Veddel. „Wir sind stolz und beeindruckt, was hier an musikalischer Vielfalt und nachbarschaftlichem Gestaltungswillen zutage tritt“, sagt Koordinatorin Katja Scheer. „Waren es im letzten Jahr noch 50 Ensembles an 36 Orten, so spielen in diesem Jahr 115 Bands und Ensembles an 62 Orten.“

Wer mag, der darf beim Flanieren von Band zu Chor zu DJ, von Klezmer zu Pop zu arabesken Klängen natürlich pädagogisch wertvoll von gelebter Integration sprechen. Oder der Zuschauer und -hörer lässt sich einfach treiben und genießt, dass internationales Flair in diesem Hamburger Quartier bereits zur Normalität geworden ist. Etwa, wenn die Formation Elbinsel VII direkt am Kanal in der Bar Tonne Melodien aus Osteuropa und Südafrika zu Gehör bringt (Fr, 21.30 Uhr, Am Veringhof 13). Wenn das Kako Weiss Ensemble mit Sinti-Swing Momente von Melancholie bis Euphorie erzeugt (Sa, 20 Uhr, Kleingartenweg 8). Oder wenn der Schwede Daniel Persson die Deichdiele mit Folk an Gitarre und Ukulele beschallt (So, 15Uhr, Veringstr. 156). Der Eintritt ist frei, die Künstler spielen „auf Hut“, bitten das Publikum also um eine Spende. Lediglich das Daugtherville-Festival, das an 48h Wilhelmsburg angedockt ist, verlangt an der Tageskasse 12 Euro. Denn das Open-Air auf dem Dockville-Gelände wurde monatelang von Jugendlichen vorbereitet, die angesagte Nachwuchsstars von Rock bis Hip-Hop auf die Bühne holen, darunter die Rapper Weekend und Fayzen (Sa, 14 Uhr, Alte Schleuse 23).

Lokale Klammer für die Insel-Bespielung ist das Bürgerhaus Wilhelmsburg. An der Mengestraße 20 können sich die letzten Enthusiasten am Sonntag ab 18 Uhr zum „Afterglow“ treffen. Direkt vor dem Kulturzentrum – auf dem Anleger und den Ursula-Falke-Terrassen – steigt aber am heutigen Freitag um 18 Uhr zunächst die feierliche Eröffnung mit türkischer Volksmusik, traditionellen Tänzen aus der Schwarzmeerregion, der „Trumpet Rock Music“ von denmantau und mit Mundharmonika-Swing von Körrie Kantner. Klingt gut.

48h Wilhelmsburg Fr 18.00–So 18.00, Wilhelmsburg/Veddel, Eintritt: frei; www.48h-wilhelmsburg.de