Fernsehstar und Kabarettist Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig hat mit seinem Bühnenprogramm Premiere. Barwasser ist vielfältiger als früher, die Themen sind tiefgründiger.

Lustspielhaus. Seine Stimme klingt sanft, fast leise. Dialekt? Fehlanzeige. Nichts zu merken von seiner aus dem Fernsehen bekannten Figur. Frank-Markus Barwasser spricht ganz anders als Erwin Pelzig. „Darüber bin ich auch froh“, sagt Barwasser. Der gebürtige Würzburger ist der Schöpfer und Darsteller des Herrn Pelzig. Jenes Mannes, den sein Kollege und Fernsehpartner Urban Priol gern als „fränkischen Konsonantenschänder“ bezeichnet, seitdem sie sich regelmäßig in der ZDF-Satire-Sendung „Neues aus der Anstalt“ beistehen. Das geht schon so seit Herbst 2010. Und da Herr Pelzig — besondere Kennzeichen: „Cord-Hüdli“, „Herren-Handtäschle“ und rot-weiß-kariertes Hemd — nicht nur „nörcheln“ will, empfängt er seit mehr als zwei Jahren im Zweiten auch regelmäßig Gäste in seiner eigenen Talkshow: „Pelzig hält sich“.

Die letzten zwei Monate hat Barwasser Sendungen im 14-Tage-Rhythmus gehabt. Immer in München. „Da geht nicht mehr viel anderes“, erzählt er. Siebenmal pro Jahr schenkt er für jeweils drei mehr oder weniger Prominente als Gastgeber Bowle aus und befragt sie; achtmal kümmert er sich an der Seite Priols in der Anstalt um „Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation“. Und das ist wirklich Arbeit. Denn die stets live gesendete Spielhandlung will erdacht, geschrieben und geprobt werden. „Wir haben keine Teleprompter, wir haben keine Gagschreiber. Es ruht schon sehr auf unser beider Schultern“, erzählt Barwasser. Da seien viele Kollegen irritiert, wenn sie merken: „Oh, ich muss das ja jetzt richtig auswendig lernen.“ Aber das erzeuge in einer Live-Sendung „eine ganz besondere Energie“, meint der Kabarettist.

Hier liegt auch der Ansatzpunkt, weshalb Barwasser mit seiner populären Figur erstmals seit Jahren wieder auf Solotournee ist. Das Motto seiner TV-Talkshow, die bis zum 17. September pausiert, stand Pate für sein neues Programm. Titel: „Pelzig stellt sich.“

Die Figur hat in diesem Jahr ihr 20. Dienstjubiläum. Beweisen muss der gelernte Zeitungsredakteur Barwasser damit nichts mehr. Schon in den Nuller-Jahren erhielt er den Deutschen Kabarettpreis, den Kleinkunstpreis und den Prix Pantheon. Dabei hatte er Pelzig als Reporter beim Bayerischen Rundfunk nur für Radioglossen ersonnen. Als Pelzig drehte er sogar einen Kinofilm, „Vorne ist verdammt weit weg“. Als er dann 2010 noch ein Engagement für das Münchner Residenztheater in „Alkaid — Pelzig hat den Staat im Bett“ bekam sowie das ZDF und Priol anfragten, war Barwassers Sololaufbahn erst mal gestoppt. Und eine Rückkehr nach Hamburg ausgeschlossen. Denn — fast vergessen — von 2005 bis 2007 hatte Barwasser in Eppendorf und Harvestehude gewohnt und freundschaftliche Bande zum Lustspielhaus geknüpft. „Ich habe mich in Hamburg zu Hause gefühlt, es wäre eigentlich meine Stadt“, offenbart Barwasser.

Die Figur Pelzig indes hat sich weiterentwickelt. Das Erfolgsrezept von „Pelzig hält sich“ ist, dass Barwasser das Klischee der äußeren Erscheinung bricht. „Solch ein Typus ist ja völlig aus der Zeit gefallen“, meint Barwasser. „Wer läuft denn wirklich noch mit solch einem Hut herum?“ Wohl nicht mal mehr Leute im Süden. In seiner Kindheit habe es genau solche Typen gegeben, meint der 53-Jährige. Die Figur sei das Klischee des deutschen Spießers. „Es stand mir immer auch ein bisschen im Wege. Ich bin immer wieder aus Schubladen herausgeklettert, in die ich mich selbst gesteckt habe, indem ich dieses Outfit gewählt habe“, sinniert Barwasser.

Für seinen satirischen Talk bekam er den Deutschen Comedypreis 2011. „Hat mich gefreut, dass die Sendung in diesem Genre gesehen wird und Anerkennung findet“, sagt Barwasser. „Anderseits bin ich auch von manchen Leuten kritisiert worden, ich dürfe doch keinen Comedy-Preis annehmen.“ Er ist ja keine fränkische Ausgabe eines Mario Barth oder Atze Schröder. Heute sagt er: „Mir ist gute Comedy zehnmal lieber als schlechtes Kabarett.“

Barwasser alias Pelzig ist vielfältiger als früher, die Themen sind tiefgründiger. In seinem aktuellen Bühnenprogramm leitet der Begriff „kognitive Dissonanz“ durch den Abend, ein Terminus aus der Sozialpsychologie. „Den klopft Pelzig ab, auf die Gesellschaft, auf sich selbst, auf die inneren Widersprüche.“ Das klingt zunächst verkopft und akademisch, soll es aber nicht sein. „Es hat dadurch auch Komik, wenn sich solch ein Mensch mit solchen Themen beschäftigt“, sagt Barwasser. So erzählt er beim Thema innere Widersprüche von jemandem, der sagt: „Er geht nicht mehr wählen, es hat keinen Sinn“, aber der Typ spielt seit 30 Jahren Lotto. „Nicht mehr wählen gehen aus Angst vor Enttäuschung, aber Lottospielen — das soll ihm mal jemand erklären!“, fügt Barwasser an. Pelzig fährt aber auch härtere Kaliber auf: Rüstung, Waffen, immer wieder Fragen der Finanzkrise. Was weniger an der Figur liegt: Die Themen, mit denen sich Barwasser beschäftigt, mit denen er sich beschäftigen muss, — Bühne wie Fernsehen — sind einfach viel komplexer und schwieriger als etwa in den 90er-Jahren. Auch der Anspruch, den der Kabarettist an sich selber hat. Seine weiteren Bühnenfiguren Dr. Göbel, ein Protestantisch-Konservativer, und der einfach gestrickte Hartmut, helfen, drei verschiedene Sichtweisen auf ein Thema zu gewinnen. Um die zu spielen, nimmt Barwasser am Tisch einfach den Hut ab. „Das würde im Fernsehen nicht funktionieren“, sagt er. Und: „Ich bin ein Bühnenmensch, ich bin eigentlich überhaupt kein Fernsehmacher.“ Klingt klar und glaubhaft.

„Pelzig stellt sich“ HH-Premiere Mi 5.6. , Do 6.6., jew. 20.00, Lustspielhaus (U Hudtwalckerstraße), Ludolfstr. 53, Karten zu 13,- (erm.) bis 24,- unter T.55 56 55 56; www.almahoppe.de