An diesem Dienstag wird im Thalia Theater der Studio Hamburg Nachwuchspreis an die Talentiertesten der Filmbranche vergeben.

Hamburg. Dieser Dienstagabend ist ein guter Anlass, einmal anders zu schauen auf deutsche Filme. Auf deutsche Körper, deutsche Gesichter, deutsche Städte. Die nominierten Werke für den Studio Hamburg Nachwuchspreis, der dieses Jahr bereits zum 16. Mal verliehen wird, unterscheiden sich doch gewaltig von dem genormten Einheitsbrei, dem Sog des Mittelmaßes, der das tägliche Fernsehprogramm dominiert und den Zuschauer in dem unbedingten Glauben wiegt, das Leben bestehe aus Polizeirevieren mit lustig bedruckten Kaffeebechern und zu Hobbydetektiven umfunktionierten Mischlingshunden.

Die für den Nachwuchspreis nominierten Filmemacher erzählen in ihren Debüts Geschichten, die nicht schon dreimal durchgekaut und gänzlich anders sind als das Komödienfutter übers Schlussmachen und Patchworken, das zuverlässig am Starttag an die Spitze der Kinocharts schießt. Es sind Geschichten über ein lesbisches Paar mit manischem Kinderwunsch („Zwei Mütter“), einen tumben deutschen Spießer in der Ehekrise („König von Deutschland“) und die Guantánamo-Gefangenschaft des Deutschtürken Murat Kurnaz („5 Jahre Leben“). Das Liebesdrama „Eastalgia“ verknüpft in einer Nacht die Schicksale verschiedener Generationen aus Ost- und Westeuropa auf fatale Weise miteinander. „Wenn ich mir diesen Jahrgang anschaue, kann ich nur sagen: Hut ab! Da ist mir um den Nachwuchs nicht bange“, sagt Carl Bergengruen, Vorsitzender der Geschäftsführung von Studio Hamburg.

Hatten sich noch vor ein paar Jahren die meisten Nachwuchsfilmer auf Coming-of-Age-Dramen eingeschossen und kreisten in hübsch dekorierten Bildern um den eigenen Bauchnabel (wogegen – siehe Filmpreis-Gewinner „Oh Boy“ — auch überhaupt nichts zu sagen ist), sind mittlerweile die Filme mit gesellschaftspolitischen Bezügen in der Überzahl. Worüber sich Bergengruen, der als Jurymitglied auch über die Preisträger mitentscheidet, gar nicht genug freuen kann: „Großartig, an welche Themen sich die jungen Filmemacher trauen.“ Jenen talentierten Filmemachern einen ganzen Abend mit knapp 1000 Gästen zu spendieren, an dem es allein um Qualität geht (und wenigstens so getan wird, als ob Chancen am Markt nicht letztlich die Währung ist, die zählt), ist also unbedingt lobenswert. Und nicht ganz uneigennützig. „Wir wollen dem Nachwuchs helfen, bekannt zu werden. Das ist wichtig bei der harten Konkurrenz hierzulande. Wir tun das aber natürlich auch für uns selbst, weil wir zusehen müssen, dass wir uns mit unseren Filmen und Serien auf der Höhe der Zeit bewegen“, sagt Studio-Hamburg-Chef Bergengruen.

Für Steffen Hofbauer, der für seinen Serienpiloten „Wir sind wieder wer“ beim Nachwuchspreis 2012 in der Kategorie „Beste Produktion“ geehrt wurde, hat sich der Preis (sowie die Auszeichnung beim First Step Award, der Berliner Konkurrenz beim Nachwuchsstreicheln) als das sprichwörtliche Sprungbrett in die Branche erwiesen.

Für den Nachwuchs lassen Schauspieler auch gut bezahlte Werbespots sausen

„Ich war erstaunt, wie viele Menschen auf mich zugekommen sind und meinen Film sehen wollten“, sagt der Jungproduzent. Für die Geschichte um eine Dorfgemeinschaft in den 50er-Jahren konnte er Heiner Lauterbach, Christoph Bach und Steffi Kühnert gewinnen. Renommierte Schauspieler, die nicht unter Beschäftigungsmangel leiden und mit der Gage aus dem Abschlussfilm sicherlich nicht auf Monate hinaus die Miete bestückt haben. Aber wenn jene anklopfen, auf deren Schultern vielleicht die Zukunft des deutschen Films ruht, lassen viele Schauspieler manch einen gut dotierten Werbespotdreh platzen. Das erzählt Johannes Klaußner, Sohn des allseits geschätzten Hamburger Schauspielers Burkhard Klaußner. „Ich habe unter Schauspielern von Anfang an ein Selbstverständnis kennengelernt, bei guten Stoffen dabei sein zu wollen. Geld ist zweitrangig, wenn das Drehbuch stimmt“, sagt der Darsteller, der für seinen Part im ZDF-Dreiteiler „Adlon“ beim Nachwuchspreis als bester Schauspieler nominiert ist. Klaußner hat seine erste Rolle im Alter von acht Jahren gespielt, ganz bewusst keine Schauspielschule besucht. Heute spielt er im neuen „Tatort“ aus Magdeburg an der Seite von Sylvester Groth und Claudia Michelsen sowie im neuen Film von Volker Schlöndorff, für den er im September nach Paris reist. Nur in Hamburg, seiner Heimatstadt, hat er bislang selten gedreht, der letzte Dreh für die Kinderserie „Pfefferkörner“ liegt mehr als vier Jahre zurück. Berlin ist immer noch, immer mehr Filmhauptstadt, Hamburg nimmt sich dagegen wie die Cousine dritten Grades aus. Umso bedeutender eine Veranstaltung wie der Studio Hamburg Nachwuchspreis. „So ein Preis ist für Schauspieler extrem wichtig, um auf dem Schirm von Regisseuren und Produzenten zu sein“, sagt Klaußner.

Für den Nachwuchs lassen Schauspieler auch gut bezahlte Werbespots sausen

„Wir machen viel und glauben, dass das richtig ist“, sagt Studio-Hamburg-Chef Bergengruen über das Engagement in der Nachwuchsförderung, bei der Einrichtungen wie etwa das „Haus der jungen Produzenten“ eine Art verlängerten Arm bildet zur Trophäen-geschmückten Galanacht. Hier die Aufmerksamkeit, dort die Nachhaltigkeit. Dass es beides braucht, um in der Branche Fuß zu fassen, weiß auch Steffen Hofbauer, der nach seinem Studium an der Filmakademie Ludwigsburg als Producer bei der Studio Hamburg Serienwerft eingestiegen ist. Mehr als 60 Regisseure würden jährlich frisch von der Hochschule auf den Markt geschwemmt, sagt er, „dadurch ist die Konkurrenz noch härter, die Aufmerksamkeit für die jeweiligen Projekte noch entscheidender geworden“.

Regisseure wie Hendrik Handloegten, Stefan Krohmer und Florian Baxmeyer sind beim Studio Hamburg Nachwuchspreis ausgezeichnet worden, Schauspieler wie Matthias Schweighöfer und Kostja Ullmann standen noch am Anfang ihrer Karriere, als sie auf dem Firmengelände in Tonndorf (dieses Jahr findet die Gala erstmals im Thalia Theater statt) eine Trophäe in die Hand gedrückt bekamen. Den richtigen Riecher zu haben, die richtigen Leute auf die Bühne zu hieven, kann den Machern also wohl niemand ernsthaft absprechen. „Es ist ein schönes Gefühl, zu sehen, dass man sich für gute Leute entschieden hat“, sagt Carl Bergengruen über die Preisträger aus früheren Jahrgängen. „Und vielleicht hat unser Preis ja auch ein wenig dazu beigetragen, dass die Karriere besser lief.“