Ehemaliger Mitschüler treibt Albert Schweitzer Jugendorchester zu Top-Form

Hamburg. Stehen zwei schwere sinfonische Hauptgerichte auf dem Speiseplan, scheinen sonst gern gereichte kleine orchestrale Horsd’œuvres entbehrlich. Das sich mächtig ins Sinfonische ausdehnende Klavierkonzert Nr. 2 von Johannes Brahms und Beethovens 6. Sinfonie dauern beide ganz schön lange, sie fordern ausreichend Konzentration bei der Wiedergabe und binden genug Probenzeit, weswegen sich das Albert Schweitzer Jugendorchester (ASJ) bei seinem Frühjahrskonzert am Sonntag in der Laeiszhalle nicht erst mit Ouvertüren gleich welcher Art aufhielt.

Den Solopart bei Brahms spielte León Bernsdorf, der 2010 am Albert-Schweitzer-Gymnasium Abitur gemacht hat und seither an der Boston University Klavier studiert. Bernsdorfs Spiel ist technisch ebenso süperb wie musikalisch überzeugend. Es bedarf keiner besonderen prophetischen Gabe, um diesem eminent diszipliniert wirkenden Musiker die solistische Laufbahn vorauszusagen, an deren Zustandekommen er schon seit Kindesbeinen arbeitet. Und das Kauzige an Brahms scheint ihm als Hamburger Jung auch noch besonders zu liegen; die schroffen harmonischen Kombinationen, die virtuos-ungefällige Faktur des Klavierparts – da ist wenig Zucker für melodiegierige Affen. Gesanglichkeit und schöne Linienführung erledigt Brahms vollständig im langsamen Satz, bei dem sich das Klavier zudem zugunsten eines intimem Dialogs mit dem Cello zurücknimmt. Dort konnte man dann auch Bernsdorfs schönes Legato bewundern und die emotionale Reflexionstiefe seines Spiels.

Die Solocellistin des ASJ meisterte ihren Part intonationssicher, klangschön und kaltblütig. Als ihr nach den ersten Takten des Andante der Stachel weggerutscht war und der Dirigent Manfred Richter von vorn beginnen ließ, raubte ihr die Unterbrechung keineswegs die Nervenruhe. Auch in der „Pastorale“ führte die junge Musikerin, die inzwischen in Berlin studiert, ihre Cellogruppe bemerkenswert sicher. Die Streicher des ASJ lieferten unter Richters engagierter und umsichtiger Leitung überhaupt eine erstaunlich homogene und souveräne Leistung ab. Bei den Holzbläsern lagen viel Licht und kleine Schatten in dichter Nachbarschaft. Nur bei den Hörnern ist noch ordentlich Luft nach oben.