Der „Wagner-Wahn“ hat auch das Opernloft infiziert. Dort läuft nun ein schnodderiger „Tristan und Isolde“ für die Jugend von heute

Hamburg. Träume von der Liebe sind so verschieden wie die Liebe selbst. „Sie soll ewig sein“, wünscht sich Sopranistin Anne Funck Hansen. Ihr Partner Lemuel Cuento will sich vergessen, eins sein mit der Geliebten. Richard Wagners Wesendonck-Lied „Träume“ entführt die jungen Leute von heute in die unerfüllte, todessüchtige Leidenschaft zwischen „Tristan und Isolde“, zwischen dem Komponisten und seiner Muse, die ihn zur Oper inspirierte.

Die beiden Sänger empfinden wohl den Mythos und die Musik als ihnen fremd. Und gleichen darin vielen ihrer Altersgenossen. Sie versuchen singend und spielend in Wagners gefühlsgeladene Welt einzutauchen, bewahren aber zugleich Distanz zu den Figuren: „Ich bin Tristan“, sagt Cuento und steckt sich eine Clownsnase an. Isolde tut es ihm gleich. Zwei Narren der Liebe.

Der in Hamburg wabernde „Wagnerwahn“ infizierte auch das Opernloft („Ein fliegender Holländer“ folgt im Herbst). Freilich bietet es eine andere Sicht der „Tristan“-Tragödie. Inken Rahardts Inszenierung und Susann Oberackers Bearbeitung geben nicht die Oper wieder. Ihre auf das Unglückspaar reduzierte Fassung ist weniger an Wagnerkenner als an Jugendliche adressiert und eine szenische Einführung mit Ausschnitten des musikalisch bahnbrechenden und symbolisch vielschichtigen Meisterwerks. Das Regieteam und die ihre schwierigen Partien erstaunlich gut bewältigenden Sänger bewahren sich dabei einen ironischen Blick auf die Utopie der großen Liebe, die immer unglücklich enden muss und als „kulturelles Erbe“ im (Musik-)Drama gefeiert, überliefert und verfestigt wird.

Für Rahardt ist die heroisierte Liebe eine Rutschbahn, wie ihr Bühnenraum suggeriert. Steil führt eine Schräge himmelwärts, sie trennt die Liebenden. Und wenn sie zusammenkommen – etwa zum Gefühlshöhenflug des Liebesduetts aus dem 2. Akt –, dann gleiten sie dem Abgrund zu. Cuento zeigt Gespür für Dramatik und Erotik, während seine Partnerin darstellerisch hölzern und zurückhaltend agiert. Immer wieder steigen die beiden aus Rolle und Zwiegesang aus, debattieren rotnasig über die Situation der Figuren. Ihre Schnodder-Dialoge brechen das Sehnen und Schmachten der im Duett innig interpretierten Wesendonck-Lieder.

Der musikalische Leiter und Pianist Markus Bruker gibt mit seiner Instrumentierung für Schifferklavier (Christoph Gediga), Oboe und Englischhorn (Vasile Boar) die Seemannsatmosphäre auf dem Schiff wieder und erzielt mit den vortrefflichen Musikern wehmütiges Melos, dramatische Steigerung in den Liebesklagen und überraschende Klangeffekte. Und die Sänger legen den Zuschauern zum Abschluss ans Herz: „Ganz ohne Wagner geht die Chose nicht.“

Tristan und Isolde 6.6., 4.7., 30.8., Opernloft, Karten unter T. 01805-700 733