Das wegweisende Ensemble Resonanz hat sich neu erfunden

Hamburg. Im Klangbild der Stadt sind sie schon lange unüberhörbar, die Musiker des Ensembles Resonanz. Jetzt lenken sie im Stadtbild auch die Blicke auf sich. Große Plakate an exponierten Stellen und Haltestellen in den Leuchtkästen von JCDecaux zeigen in dieser Woche jeweils einen Spieler oder eine Spielerin des Top-Kollektivs, dazu einen markanten Slogan, der etwas aussagt über den Erlebnischarakter ihres Musizierens: „Endorphingetränkt“ sei sie, sagt etwa die Geigerin Swantje Tessmann mit den fürs Foto frisch knallrot gemalten Lippen, weil sie das Spielen bester Musik auf höchstem kommunikativen Niveau für ein aufmerksames und begeisterungsfähiges Publikum eben glücklich macht.

Das Ensemble Resonanz hat sich für die neue Saison nicht nur ein ansprechendes und sinnfälliges neues Erscheinungsbild gegönnt, das seiner Mission, neues Publikum für die Klassik zu gewinnen, besser entsprechen soll als das bisherige. Die Kammermusiker haben in den vergangenen Monaten auch ihre Aktivitäten an sich auf den Prüfstand gestellt und Schlussfolgerungen aus dem Bedürfnis gezogen, nicht nur ein fertiges Konzert aufzuführen, sondern auch den Weg dorthin fürs Publikum anschaulich zu machen. Ihre bisherigen Vermittlungsprogramme zur Resonanzen-Konzertreihe, die „Hörprobe“ und den „Lauschangriff“, ersetzen sie jetzt durch sogenannte Ankerangebote. Damit wollen die Resonanzler ihr demokratisches Ringen um die bestmögliche Interpretation eines Stücks noch transparenter machen und zudem im Rahmen von „Ausflügen“ an raren Hör-Häfen der Stadt festmachen, etwa an einer berufsbildenden Schule. Das Publikum darf die Musiker bei der „Intro“ genannten Veranstaltung über dramaturgische Hintergründe ausfragen oder bei der „Werkstatt“ an einer der ersten Proben teilnehmen.

„Von der Ergebnis- zur Prozesskultur“ heißt im Resonanz-Jargon die Konsequenz aus jenem Denken, das das Konzert verändern will, um es zu erhalten. Auch die vor zwei Jahren installierte Reihe Urban String mit Konzerten im Haus III&70 auf dem Schulterblatt, in dessen viertem Stockwerk sich der Proberaum des Ensembles befindet, hat im Selbstverständnis des Orchesters Spuren hinterlassen. „In Residence in der Elbphilharmonie, zu Hause auf St. Pauli“ – mit diesem Paradoxon beschreiben die Musiker ihren kreativen Spagat zwischen Exzellenzanspruch und willkommenen Niederungen ihres Alltags.

Als neue Residenzkünstlerin gewann das Ensemble die Bratscherin Tabea Zimmermann, die die Hälfte der sechs Resonanzen-Konzerte leiten wird. Die Abende tragen so poetische Namen wie „himmelerde“, „heimatwaise“, „tränenglück“ und „nachtsonne“ und setzen das Modell einer klugen, aufregenden Dramaturgie zwischen alter und neuer Musik fort. Mehr als 50 Konzerte wird das im In- und Ausland zunehmend gefragte Ensemble in der nächsten Saison spielen. Gelder aus der Kulturtaxe retteten ihm den Haushalt 2012/13. Doch die Finanzierung für das nächste Jahr ist völlig offen.