Das Budapester Operetten- und Musicaltheater zeigt Disneys Märchenmusical in der Staatsoper als Sommergastspiel

Staatsoper. Es ist immer nett, mit einer kultivierten Teekanne ins Gespräch zu kommen. Und wenn sie dann auch noch perfekt Deutsch spricht, steht einer gepflegten Konversation – nehmen Sie einen Schuss Milch, ein Stück Zucker oder zwei? – nichts mehr im Wege. Dass Teekannen nämlich Deutsch sprechen, ist nicht selbstverständlich, schon gar nicht, wenn sie in Ungarn zu Hause sind. Diese Kanne aber hat in Wien gearbeitet. Und sie singt, auch das ist eher die Ausnahme, ausgezeichnet. Lüften wir den Deckel ihrer Identität: Lilla Polyák spielt die Madame Pottine in der aktuellen Produktion des Musicals „Die Schöne und das Biest“ vom Budapester Operetten- und Musicaltheater. Hundert Mitwirkende, darunter 21 Orchestermusiker und 41 Darsteller, stellen ein großartiges Spektakel auf die Bühne.

Das kann sich gern sehen und erst recht hören lassen, wie ein Besuch einer Aufführung im Festspielhaus Baden-Baden ergibt. Die Inszenierung von György Böhm ist zu Recht, „die einzige europäische Produktion, die von Disney die Lizenz zum Tourenerhalten hat“, wie Polyák nicht ohne Stolz anmerkt. Doch bevor sie als Teekanne ihre großen Auftritte hat und dem Publikum ihre Arien einschenkt, nimmt das Musical-Märchen von Alan Menken (Musik), Howard Ashman und Tim Rice (Texte) in der deutschsprachigen Fassung mit ungarischem Akzent Stück für Stück seinen Lauf und an Fahrt auf.

Hat der Zuschauer sich in die leicht ungewohnte Betonung mancher Worte einmal eingehört, stört der ungarische Akzent nicht mehr, sondern bereichert den Hörgenuss eher. Denn die Darsteller sind wunderbare Sänger mit zum Teil wirklich großen Stimmen und ausgezeichnete Schauspieler. So glänzt Kitti Jenes als leicht verbiesterte Belle, und Sándor Barkóczi ist auch in der Maske des Ungeheuers ein wunderschönes Biest. Dass die Schöne zu Beginn etwas zickig wirkt, ist allerdings kein Wunder, denn sie hat es da nicht mit dem Biest zu tun, sondern mit dem brutalen Angeber Gaston (gekonnt grobklotzig: Attila Néméth), der ihr nachstellt.

Bereits im ersten Aufzug wird deutlich, wo zwei große Stärken dieser Aufführung liegen. Das Bühnenbild und die Kostüme weichen zwar von den bekannten Disney-Bildern ab, sind aber starke, farbenprächtige Eigenkreationen, die qualitativ nicht hinter dem Broadway-Original zurückstehen. Zum anderen bestechen die scheinbar mit leichter Hand entworfenen Choreografien von Beginn an. Derweil das Dorf tanzt, macht sich Belles Vater Maurice (Attila Bardóczy) auf den Weg durch einen Wald, in dem er auf der Flucht vor Wölfen (nächste tolle Choreografie in starken Kostümen) ins Schloss des Biests flüchtet.

Vom Biest in den Kerker geworfen, harrt er dort seiner Rettung, die von Belle sogleich organisiert wird, sobald sie das Unglück erahnt. Nachdem sie beiläufig einen Heiratsantrag Gastons abgeschmettert hat, begibt sie sich, begleitet vom mitreißend aufspielenden Live-Orchester, ins Schloss des Biests, und es kommt zum berühmten Geiselaustausch. Nun sitzt Belle fest. In Gefangenschaft lernt sie dessen verzaubertes Personal – darunter die eingangs erwähnte Teekanne Madame Pottine (eine ehemalige Operndiva), die Standuhr von Unruh (Tamás Földes) und den komischen Kerzenständer Lumiere (Attila Bardóczy) – kennen und lieben.

Doch nimmt das Unglück seinen Lauf, Belle flüchtet, das Biest rettet sie vor den Wölfen, wird verwundet und aus Dankbarkeit von Belle gepflegt, die ihm freundlicherweise auch noch das Lesen beibringt – eine großartige romantische Szene unter dem Firmament, ein Balladenhöhepunkt zu Beginn des zweiten Aktes. Derweil droht Maurice, Belles Vater, die nächste Geiselhaft. Diesmal will Gaston ihn in eine Nervenheilanstalt einweisen lassen, um Belle zur Heirat zu zwingen.

Der schändliche Plan kann vereitelt werden. Belle rettet ihren Vater gleich noch zweimal hintereinander, bringt dabei aber die Dorfbewohner gegen das Biest auf. Es kommt zu einer Schlacht gegen die Schlossbewohner mit dramatischem Höhepunkt: Gaston ermordet das Biest hinterrücks, stirbt jedoch bei seinem Anschlag. Die Liebe Belles, im letzten Augenblick gestanden, führt dazu, dass das Biest sich in einen unversehrten Prinzen zurückverwandelt, dem sie in die Arme fallen kann. Die Verwandlung ist ein weiterer akrobatischer und abschließender Höhepunkt der unterhaltsamen Inszenierung.

„Die Schöne und das Biest“, vom 31. Juli bis 18. August, Staatsoper Hamburg (U-Bahn Stephansplatz), Karten 23–66 Euro; Tel. 040/450 11 86 76.