Initiative bemüht sich um Rettung des Clubs Birdland, Jazzabteilung an der Hochschule bekommt mehr Studenten. Landesmusikrat meldet sich mit einem offenen Brief an Olaf Scholz.

Hamburg. Nichts geht über Volksweisheiten. „Immer wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Seit Anfang April schien die Jazzszene in Hamburg durch die zum Sommer angekündigte Schließung des Jazzclubs Birdland im tiefen Tal der Tränen versunken. Tatsächlich aber sind seither in diesem trüben Gewässer auch einige Rettungstaucher unterwegs, die sich mit dem nahenden Untergang des Jazz in Hamburg partout nicht abfinden wollen.

Eine Fortführung des Clubs am selben oder einem anderen Ort wird derzeit intensiv von sehr ernst zu nehmenden Förderern im Verbund mit engagierten Hamburger Jazzmusikern diskutiert. Eine Übergangslösung ist bereits gefunden: Die für die Szene so wichtige Session, die im Birdland immer donnerstags stattfand, wird nach Abendblatt-Informationen in nahtlosem Übergang von Juli an im Live Music Club an der Fruchtallee 36, zehn Gehminuten vom Birdland entfernt, mittwochs über die Bühne gehen. Zusätzlich soll es ab September dort jeden Sonntag Live-Jazz geben, außerdem einmal pro Monat freitags oder sonnabends. Von 2014 an wolle der Pächter den Musikern einen der beiden attraktiven Wochenendabende fest zur Verfügung stellen.

Zeitgleich findet wie durch Zauberhand auch der unfreiwillige Minimalismus des Jazzstudiengangs an der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) ein Ende, der den Leiter der Abteilung, Wolf Kerschek, seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren regelmäßig zur Verzweiflung trieb. Die ihm zugewiesenen sechs Studienplätze pro Jahrgang werden ab Herbst auf zehn erhöht. Der finanzielle Mehrbedarf muss nicht, wie bisher verlangt, aus eigener Kraft von der Hochschule aufgebracht werden, sondern wird durch Mittel aus dem Hochschulpakt getragen.

Und als i-Tüpfelchen verkündete die Senatorin für Bildung und Wissenschaft, Dorothee Stapelfeldt (SPD), bei einer Sitzung des Wissenschaftsausschusses am vergangenen Donnerstag in der Hochschule für Musik noch eine frohe Botschaft, freilich nicht nur für die Jazzstudenten: Die kaum genutzte Tiefgarage unter dem Neubau wird im Zuge der ab 2014 geplanten Sanierung der Hochschule in etwa 20 zusätzliche Überäume umgewandelt. Die Finanzierung werde die Ehrenbürgerin und Mäzenin Hannelore Greve übernehmen.

Mit einem offenen Brief an den Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat sich jetzt auch der Landesmusikrat in Sachen Jazz zu Wort gemeldet. LMR-Präsident Wolfhagen Sobirey und sein Geschäftsführer Thomas Prisching als Unterzeichner rühmen die neue Hamburger Festivalvielfalt mit Elbjazz, Überjazz und Jazz open, auch die Verleihung des Echo Jazz unter starker finanzieller Beteiligung der Stadt findet ihr Wohlwollen, „obwohl dies nun Mittel bindet, die aus Sicht des Landesmusikrats Hamburg dringend für die Sicherung von regelmäßigen Auftrittsorten für Jazz, vor allem Jazzclubs, benötigt würden.“ Derlei Veranstaltungen stärkten die Hamburger Jazzszene „nicht direkt ganzjährig“ und schüfen „keine beständigen Strukturen“. Deshalb richtet der Landesmusikrat an Scholz und die politisch Verantwortlichen den Appell, „umgehend geeignete Maßnahmen zu identifizieren und behördenübergreifend zu fördern“.

Als das Abendblatt am 2. April die Entscheidung der Birdland-Betreiber Dieter und Heidi Reichert publik machte, ihren Club Ende Juni zu schließen, las auch Günter Muncke, 69, die Hiobsbotschaft in der Zeitung. Der Mann, der von sich sagt, er höre seit 50 Jahren jeden Tag Jazz, verstand sich bis dahin nur als „ideelles Mitglied“ der Jazz Federation Hamburg, die sich 1985 als Trägerverein des Birdland gegründet hatte und deren regste Mitglieder bald Dieter und Heidi Reichert wurden. Inzwischen trat Muncke der Jazz Federation bei. Mithilfe einiger langjähriger Mitglieder will er den Verein aus dem langjährigen Dämmerschlaf reißen.

Die Jahresversammlung am 11. Juni, bei der die Reicherts eigentlich auf die Selbstauflösung des Vereins spekuliert hatten, wollen die Honoratioren um Muncke mit Aktiven aus der Jazzszene wie Gabriel Coburger, Sebastian Gille, Philipp Kacza und Buggy Braune nun vielmehr dazu nutzen, die Birdland-Betreiber womöglich noch einmal umzustimmen oder, falls dies nichts fruchtet, konkret nach einer neuen Lokalität für einen Jazzclub zu suchen. Dieter Reichert, der den Club im Keller eines ihm gehörenden Wohnhauses an der Gärtnerstraße betreibt, erteilte Dienstag gegenüber dem Abendblatt allen Umstimmungsversuchen erneut eine Absage. „Es bleibt dann doch alles an mir hängen. Ich kann nicht mehr.“

Die Zeichen der Zeit deuten auf Chancennutzung in der Krise, auf eine Wiedergeburt der Hamburger Jazzszene. Vom Birdland zum Rebirthland.