Die Premiere „Väterverabschiedung“ thematisiert familiären Missbrauch und Menschenexperimente zur Zeit des Nationalsozialismus

Polittbüro. Der Titel „Väterverabschiedung“ klingt etwas verschlüsselt, aber nicht besonders bedrohlich. Der Text von Simone Regina Adams, der sich dahinter verbirgt, ist jedoch von schonungsloser Härte. Die Schriftstellerin, die bis 2010 als Psychotherapeutin in Freiburg gearbeitet hat, behandelt darin zwei Themen: familiären Missbrauch und Menschenexperimente zur Zeit des Nationalsozialismus. Aus Erfahrungsberichten von Frauen über sexuellen Missbrauch und aus Erlebnissen von Kindern von NS-Tätern und –Mitläufern hat sie eine szenische Collage gebaut, die an diesem Montag im Polittbüro in Thomas Ebermanns Vers- und Kaderschmiede uraufgeführt wird. Die Lesung gehört zur Reihe „Lese-Zeichen setzen gegen rechts“, den der AStA der Universität Hamburg und der Arbeitskreis „Bücherverbrennung – nie wieder!“ initiiert haben.

Edith erfährt von ihrer älteren Schwester, dass ihr Vater der frühere Geliebte der Mutter ist. Sie beginnt sich an den Arzt zu erinnern, der sie „Prinzessin“ genannt hat und der sie oft „untersucht“ hat. „Der Einzige, der mich anschaut, ist er. Ein Doktor, ein Halbgott. Einer, der alles darf, alles kann, alles tut“, heißt es in „Väterverabschiedung“. Dieser Mann, im Stück Derda genannt, hat im Dritten Reich Medizin studiert und konnte schnell Arzt werden, weil alle jüdischen Mediziner entweder geflohen waren oder umgebracht wurden. Das Credo von Derda lautet so: „Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehen: erster Satz unserer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen.“

Für die szenische Lesung im Polittbüro kann Ebermann auf vier erstklassige Schauspieler und Sprecher zurückgreifen. Annette Uhlen übernimmt die Rolle der Edith, Gilla Cremer spielt die Mutter und die ältere Schwester, Michael Weber ist als Derda und Henning Venske in der Rolle von Pa, einem alkoholkranken und gewalttätigen Ehemann, zu hören und sehen.

„Väterverabschiedung“ Mo 27.5., 20.00, Polittbüro (U/S Hauptbahnhof), Steindamm 45; Karten: 15,-; www.polittbuero.de