Hamburg. Obwohl er längst das sogenannte „beste Mannesalter“ erreicht hat, bewahrte sich der Dirigent Esa-Pekka Salonen doch eine gute Portion Lausbubencharme. Das Gastspiel seines Philharmonia Orchestra London am Sonnabend in der Laeiszhalle eröffnete er mit einem gelungenen Streich.

Edgard Varèses „Amériques“ von 1921 ist ein 25-minütiger, lustvoller Radau. Hier hat sich einer den kindlichen Wunsch erfüllt, es mit den Mitteln eines kompletten Symphonieorchesters und einer riesigen Schlagzeugbatterie mal so richtig krachen zu lassen. Gegen Ende schwillt diese hochorganisierte Häufung von Schockeffekten gar zu einem Lärmsturm in Orkanstärke an. Den beschwor der Hollywood erprobte finnische Maestro mit himmelwärts gerichteter Faust in Freddie-Mercury-Rockstar-Pose herauf.

Nach der Pause stand die Geburtstagsparty für einen Klassiker des 20. Jahrhunderts an. Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, am 29. Mai 1913, hatte Strawinskys „Le sacre du printemps“ bei seiner Uraufführung einen epochalen Skandal ausgelöst. Heute ist der „Sacre“, wie Salonen und Philharmonia nun bewiesen, für Profiorchester längst ein Stück Routine auf höchstem Niveau geworden. Denn trotz einer technisch einwandfreien Leistung, wollte sich die skandalträchtige Sacre-Ekstase so ganz nicht einstellen, und sei es auch nur, weil im akustischen Windschatten von Varèses „Amériques“ keine Steigerung des Schockhaften mehr möglich ist.