Fernsehstar und Autorin Cordula Stratmann über ihr neues Buch, weibliche Komik und politisches Kabarett. Themen ihres komischen Buchs sind die Familie im weitesten Sinn und das menschliche Leben.

Hamburg. Mit ihrem Auftritt am kommenden Freitag ist Cordula Stratmann, 49, die weibliche Zugnummer des Hamburger Kabarettfestivals. Das überrascht sie zunächst („Was, welches Festival?“), sie befasse sich mit den Auftrittsorten eigentlich immer erst, „wenn sie direkt vor meiner Nase sind“. Zu Gast im St. Pauli Theater war die Komikerin, Schauspielerin und Autorin mit ihrem Kabarettprogramm „Andererseits wiederum ...“ indes schon einmal. Für ihre Lesereise hat sie ihr „Rucksäckchen“ gepackt, um aus ihrem neuen Roman „Danke für meine Aufmerksamkeit! — Ansichten einer Maus“ zu lesen. Themen ihres komischen Buchs sind die Familie im weitesten Sinn und das menschliche Leben.

Kürzlich überzeugte sie als Komoderatorin Claudia Akgün an der Seite Olli Dittrichs in der ARD-„Morgenmagazin“-Parodie mit 13,5 Prozent Marktanteil am späten Montagabend. Der WDR will die Satire auf das morgendliche Gute-Laune-Fernsehen im Herbst mit sechs weiteren Folgen fortsetzen. Cordula Stratmann verkörpert nicht nur in dieser Sendung den weiblichen Humor wie kaum eine andere im deutschen Fernsehen. Die Rheinländerin, bekannt geworden als Nachbarin Annemie Hülchrath in der fiktiven Wohngemeinschaft „Zimmer frei“ (WDR) mit Götz Alsmann und Christine Westermann sowie als Frontfrau der Sat.1-Impro-Comedy „Schillerstraße“, wurde für ihre Komik mit dem Deutschen Comedypreis, dem Deutschen Fernsehpreis und mit der Goldenen Kamera der Zeitschrift „Hörzu“ ausgezeichnet. Die in Köln lebende gebürtige Düsseldorferin ist jedoch eine Künstlerin, die ursprünglich von der Bühne kommt und diese immer noch mag.

Hamburger Abendblatt: Warum erzählen Sie das Buch aus der Sicht einer Maus?
Cordula Stratmann: Weil sich mir dieser Gedanke, den jeder schon mal hatte, ‚Da möchte man mal Mäuschen spielen‘, in den Kopf geschoben hatte, als ich über eine neue Buchidee nachdachte. In dem Moment war auch schon die Hauptfigur Britta, die Maus, geboren. Sie sollte die Beobachterin sein und bei verschiedenen Menschen leben und bei deren Versuchen, das Leben irgendwie gut hinzukriegen. Außerdem wollte ich die Geschichte von Kindern schreiben, von denen Erwachsene behaupten, sie funktionieren nicht richtig. In der Regel haben wir es aber mit intakten Kindern zu tun und zunehmend mit völlig ratlosen Erwachsenen. Ich halte das Gestarre auf Kinder und ihre angebliche Disfunktionalität für vollkommen falsch. Die Erwachsenen müssten sich mal dringend damit beschäftigen, was sie sich für eine Welt gezimmert haben, mit der sie nicht mehr zurechtkommen.

Inwieweit hat Ihre Erfahrung als Mutter eines siebenjährigen Sohnes den Leidensdruck erhöht, das Buch zu schreiben?
Stratmann (lacht): Er hat natürlich meinen Blick auf das Leben mit Kindern noch mal geschärft. Ich hab ja mein Leben lang schon viel mit Kindern zu tun gehabt, weil ich ja als Familientherapeutin immer was mit Familien und Kindern gemacht hatte. Außerdem kann ich mich an mein eigenes Kindsein gut erinnern.

Sie haben zwei ältere Brüder. Wie schwer war es als Kind und Jugendliche, sich gegen die beiden durchzusetzen?
Stratmann: Ach, so schwer war das gar nicht. Wir haben eigentlich alle immer an einem Strang gezogen. Ich war humormäßig mit meinem ältesten Bruder immer auf einer Wellenlänge. Der hat mir das, glaube ich, eher beigebracht. Der war ein äußerst komischer Bruder. Mit dem hab ich einen durchgehend komischen Blick gelernt. Ich hab mich als Kind schon gern amüsiert. Mein komischer Blick auf die Dinge hat mich oft gerettet. Das fühlt sich grundsätzlich besser an, als sich dramatisch zu fühlen. Wir haben häufig die Wahl, wie sich etwas anfühlt: Da sollte man sich für den heiteren Teil entscheiden.

Wobei hat Ihnen Ihr komischer Blick besonders geholfen?
Stratmann: Von der Kindheit bis heute hilft er mir, die Dinge nicht so verkniffen zu sehen, mich in eine Kontroverse nicht so reinzuschrauben, dass ich drum herum nichts mehr sehe. Das macht einen eher weitsichtig und nicht engstirnig. Das hilft in jedem Konflikt, weil man leichter Lösungen findet.

Ihre Figur Annemie Hülchrath ist ja vor 20 Jahren dem Kölner Karneval entsprungen …
Stratmann: … Die hatte ich mir aber für andere Anlässe ausgedacht. Die Dame hat mit dem Karneval eigentlich nichts zu tun. Sie ist keine Karnevalsperson, sondern eine ganz normale Frau. Sie kam zwar bei einer Karnevalssitzung das erste Mal auf eine Bühne, aber das hätte überall passieren können.

Hilft es in den Genres Kabarett und Comedy Künstlerinnen am Anfang ihrer Karriere, in Bühnenfiguren wie etwa die Annemie zu schlüpfen?
Stratmann: Ich hab das nicht planvoll gemacht. Es gab die Annemie, da war ich Sozialarbeiterin. Mich hat die Bühne nicht interessiert. Höchstens in dem Sinn: Wir machen jetzt zusammen einen Spaß und denken uns selber eine Karnevalssitzung aus. Das war Karneval von unten und nicht von oben, wie ihn alle kennen. Ich hatte nicht die Idee im Kopf: „Ah, damit wirste mal berühmt.“ Das hat sich einfach so entwickelt.

Hatten Sie weibliche Vorbilder?
Stratmann: Die hatte ich nie. Ich hab eine ganz bestimmte Art von Humor. Die ist mir, glaube ich, in die Wiege gelegt worden. In der Hinsicht haben meine Eltern an meinem Gen-Programm mitgewirkt (lacht). Und dann hatte ich meinen komischen Bruder, der das Ganze noch mal mitgeprägt hat. So hat alles bei mir seinen Lauf genommen.

Kabarettfestival-Leiter Ulrich Waller vertritt ja seit Jahren immer wieder gern die These, guter Humor und scharfes Kabarett entwickle sich nur dort, wo der Katholizismus herrsche …
Stratmann: Man sollte den Katholizismus nicht so überbewerten: Der Mensch an und für sich ist ja schon ein komisches Wesen, ob er nun religiös ist oder nicht. Wie wir uns alle durch unser Jahr fummeln, das hat einfach eine grundsätzliche Komik. Dabei kann man katholisch, buddhistisch oder freikirchlich sein (lacht wieder). Man muss die Komik nicht extra veranstalten. Wenn man genau das Leben betrachtet, hat man ordentlich Spaß.

Was macht für Sie guten weiblichen Humor aus?
Stratmann: Ich kenne mich mit weiblichem Humor nicht aus, weil ich schon immer mit Jungs und Männern gelacht habe. Die über meinen und ich über deren Humor. Ich kann nicht sagen, was das sein soll, weiblicher Humor.

Vieles dreht sich bei Kolleginnen von Ihnen noch immer um das Thema Mann-Frau und Paarbeziehungen.
Stratmann: Das ist natürlich strikt öde, mein Gott. Festzustellen, dass das Zusammenleben von Männern und Frauen Komik enthält, ist nun die langweiligste Feststellung aller Zeiten. Natürlich ist es komisch, wie wir zusammenleben. Aber dafür brauche ich nicht das 600. Programm. Wenn sich die Leute darüber amüsieren, wenn der 600. Künstler mit einem Männer- und Frauenprogramm über die Bühne hüpft — es schadet ja keinem. In der Zeit fängt keiner einen Krieg an, ist ja auch gut. Vielleicht ist weiblicher Humor differenzierter und geht mehr in die Ecken. Männer sind schneller von der Tür bis zur Wand. Aber ich kenne auch großartige, sehr feinsinnige humorige Männer. Und ich kenne auch etwas flache Frauen.

Wen meinen Sie? Namen wären ganz hilfreich ...
Stratmann: Man kann sich vieles wünschen.

Frau Stratmann, das ist kein Wunsch, das ist eine Frage!
Stratmann: Ich kann keine Namen nennen, die kennen Sie alle nicht. Die superkomischen Leute, die ich kenne, die finden sich in meinem Umfeld, die tummeln sich nicht alle auf der Bühne.

Auf der Bühne noch mal politischer oder etwas direkter zu werden steht für Sie nicht zur Debatte?
Stratmann: Das ist eine gute Frage, denn ich bin ein wirklich sehr politischer Mensch. Ich verfolge, wie sich unsere Welt verändert. Aber wenn ich Zusammenhänge verstehe und unfassbar finde, dann werde ich durchaus humorlos. Dann suche ich mir lieber einen anderen Weg: Wie kann ich meine Prominenz nutzen, um mal mit einem Entscheider in Kontakt zu treten? Oder was kann ich tun, damit ich irgendetwas bewirken kann und nicht nur entrüstet auf meinem Sofa sitze und Zeitung lese? Aber ich bin niemand, der das auf die Bühne bringen kann. Ich entdecke hierzulande auch selten hörenswertes politisches Kabarett. Außer zum Beispiel beim Kollegen Georg Schramm. Und wenn einer die Mundwinkel hängen lässt und dazu ‚Angela Merkel‘ sagt, mag der Saal zwar vor Vergnügen toben. Aber das ist doch kein politisches Kabarett.

Lesung: „Danke für meine Aufmerksamkeit! — Ansichten einer Maus“ Fr24.5., 20.00, St. Pauli Theater, Karten unter T.47 11 06 66; weitere Termine des Kabarettfestivals bis 2.6. im Internet: www.st-pauli-theater.de