Der Kongress des ADC-Festivals war ein Erfolg. Und von den zwölf besten Kampagnen des Jahres, die der Werberclub kürte, kommen vier aus Hamburg.

Hamburg. Als Hamburger mit einem gewissen Hang zum Understatement ist einem so viel Lob fast schon zu viel. Der Präsident des Art Directors Club für Deutschland (ADC), Stephan Vogel, rühmte den neuen Veranstaltungsort des Festivals des Werbervereins nach Kräften. Sein Club fühle sich in Hamburg „aufs Herzlichste empfangen“, sagte er anlässlich des traditionellen Pressegesprächs des ADC-Festivals. Man merke, wie wichtig es der Stadt sei, die Kreativwirtschaft willkommen zu heißen. Und als Beispiel der Gastfreundschaft der Hamburger führte er mehrfach die ADC-Sonderausgabe des Abendblatts vom vergangenen Dienstag sowie das Interesse von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) an dem Festival an.

Das Oberhafenquartier als Standort von ADC Kongress und ADC Ausstellung hat sich jedenfalls schon jetzt bewährt. Der raue, postindustrielle Charme des Quartiers kontrastiert ganz wunderbar den Anspruch des Kongresses, der unter dem Motto „The Power of Digital Ideas“ steht. Da treffen meisterhaft designte Computerbildschirme und Tablet-PC auf zweckentfremdete Güterwaggons, die nun als zusätzliche Ausstellungsflächen dienen. Euro-Paletten wurden zu Stellwänden und Sitzmöbeln umfunktioniert. Aus den Boxen pluckert Chill-out-Musik, während die Zuschauer durch die Ausstellung mit allen eingereichten Arbeiten flanieren.

„Das ADC-Festival ist ein tolles Event, und es ist großartig, dass es in Hamburg stattfindet“, sagt sogar Sebastian Libbert. Er ist Vorsitzender des Vereins Oberhafen, der sich im Vorfeld der Veranstaltung skeptisch über das Werbertreffen geäußert hatte. Er befürchtete eine „Gentrifizierung im Turbogang“. Diese Befürchtung hegt Libbert noch immer. Und er kritisiert die Stadt. Sie habe „die Chance vertan, mit ihrer Unterstützung des Festivals Bleibendes für das Areal zu schaffen – und sei es ein festes Toilettenhäuschen für die wachsende Zahl an Besuchern“.

Da ist was dran. Schließlich betont der Senat stets, das Oberhafenquartier zum Experimentierfeld für Kreative jedweder Couleur ausbauen zu wollen. Und die Besucher des ADC-Festivals, das ja auch in den kommenden beiden Jahren im Oberhafen stattfindet, wären bestimmt froh, würden sie von 2014 an dort feste Toiletten statt mobiler Klohäuschen vorfinden.

Nichts zu meckern gibt es dagegen am Programm des ADC-Kongresses. Wie sehr mittlerweile digitale Medien die Werbung bestimmen, führte eindrücklich der New Yorker Bob Greenberg seinen Zuhörern vor Augen. Der Guru der Branche versteht sich längst nicht nur als Werber, sondern auch als Unternehmensberater und Produktentwickler. Mit seiner Agentur R/GA hat er zusammen mit dem Sportartikelhersteller Nike das Nike+ FuelBand entwickelt – ein Armband, das alle sportlichen Aktivitäten seines Trägers aufzeichnet. Es errechnet auf Wunsch die verbrauchten Kalorien, definiert sportliche Ziele, und selbstverständlich lassen sich alle Daten in soziale Netzwerke wie Facebook stellen, wo man mit Freunden über sie diskutieren kann.

Apropos Facebook. Der Kreativchef der Firma Mark D‘Arcy hält mobile Medien längst für weitaus wichtiger als das Fernsehen, das für ihn nur noch ein Nebenbeimedium ist. Jeder Werber müsse sich heute fragen, ob seine Kampagne auch auf dem kleinen Bildschirm eines Smartphones funktioniert.

Der französische Stardesigner Ora-Ito schließlich hat seine Karriere dem Internet zu verdanken. Weil keine Agentur sich die Entwürfe des Schulabbrechers anschauen wollte, stellte er sie versehen mit den Emblemen bekannter Marken einfach ins Internet. Dort fand sich dann ein von ihm entworfener Rucksack der Marke Louis Vuitton, ein Apple-Laptop mit Camouflagemuster und eine Villa, die gestaltet war wie das markante G der Modemarke Gucci. Ora-Ito wurde deswegen nicht etwa mit Urheberrechtsklagen überzogen, sondern mit Aufträgen überschüttet. Seine Entwürfe kamen an.

Verglichen mit den Arbeiten der internationalen Branchenstars wirken die ausgezeichneten deutschen Kampagnen ein wenig bieder. Auf die Vergabe eines Grand Prix verzichtete die Jury in diesem Jahr. Dennoch spricht der ADC von einem starken Jahrgang. Insgesamt vergab er 20 goldene, 76 silberne und 219 bronzene Nägel sowie 219 Auszeichnungen. Auf einer feierlichen Gala im Theater am Hafen wurden die zwölf Kampagnen präsentiert, die in allen Disziplinen am besten abschnitten. Ganz vorne lag dabei die Kampagne für den Baumarkt Hornbach „Keiner spürt es so wie du“ der Agentur Heimat gefolgt von der Markenkampagne für die Tageszeitung „Die Welt“ der Agentur Oliver Voss und der Volkswagen-Kampagne „Don‘t make up and drive“ der DDB Tribal Group.

Von den besten zwölf Kampagnen stammen vier aus Hamburg. Oliver Voss ist außer mit der „Welt“-Kampagne auch mit einer Arbeit für das Musikblatt „Rolling Stone“ vertreten. Eine Kampagne für die Dosenthunfischmarke followfish brachte Leagas Delaney Hamburg Platz fünf ein. Und Philipp und Keuntje belegte mit einer Kampagne für die Biermarke Astra den zwölften Platz. Die Hamburger Agenturen Jung von Matt (JvM) und Scholz & Friends hatten aus Kostengründen in diesem Jahr keine Arbeiten eingereicht. Dass JvM-Chef Jean-Remy von Matt als ADC-Jurypräsident im Gegensatz zu den Vorjahren das Pressegespräch schwänzte, empfanden manche als Affront. Er zog es vor, zur gleichen Zeit die JvM-Werbeakademie einzuweihen.