„Das mit dem Glücklichsein“ heißt das neue starke Album von Stefan Gwildis. Der Musiker liefert eine Nostalgie-Dosis wie aus dem Manufactum-Katalog. Am 24.5. kommt der singende Charmeur zum Elbjazz Festival.

Hamburg. Es gibt demnächst bestimmt Frauen, die sich wünschen, als Stefan Gwildis’ Studio-Mikrofon wiedergeboren zu werden. Dann würde er sie, und nur sie allein, ganz virtuos jazzig ansäuseln und sein leicht angerauter Straßenköter-Bariton würde sie mit lässigen Herzensknicker-Sprüchen vollflirten. Wie dieser Typ in „Schieß mich doch zum Mond“ – Gwildis’ Version des Sinatra-Klassikers „Fly Me To The Moon“ – sein erstes „Komm her zu mir“ so smart unter die Haut singt, ist eigentlich überhaupt nicht jugendfrei und doch ganz harmlos. Im Hintergrund, obwohl Hintergrund abwertender klingt, als es gemeint ist, säße dann die NDR Bigband und würde die handverlesenen Standards sehr gekonnt veredeln und gut gekühlt servieren. Und am Ende, nach 13 Titeln, wäre ihnen ganz anders, als Mikro von diesem Mann. Weil sie da etwas hautnah erleben durften, was man hierzulande schon lange nicht mehr so elegant zu hören bekam. Alte Crooner-Schule. Ziemlich großes Tennis.

„Das mit dem Glücklichsein“, der neue Gwildis, ist eine Nostalgie-Dosis wie aus dem Manufactum-Katalog. Schon das Cover sieht wie eine „Blue Note“-Blaupause aus, der Schrifttyp, die Grafik, das Layout. Feels like 1963 spirit. Es gibt sie eben doch noch, die guten Titel. Jazz-Klassiker aus dem „Great American Songbook“ von Cole Porter, Van Morrisons „Moondance“, aus „I’ve Got You Under My Skin“ wird „Du hast mich ganz in der Hand“ und der Titelsong hieß bislang immer „My Funny Valentine“.

So isser, der Gwildis, so war er immer schon. Der greift am liebsten ganz nach oben im Plattenregal, dorthin, wo die Ewigkeitswerte stehen, über die alle sagen, Stefan, mach das mal lieber nicht. Einfach mal ausprobieren. Und dann mal sehn, wie das wird. Das hat Gwildis mit etlichen Soul- und R&B-Klassikern gemacht, und auch hier funktioniert die Idee mit den guten deutschen Texten bestens. Routinierte Kumpel wie Michy Reincke oder Stefan Claussen haben an den deutschen Versionen mitgeschrieben, alle Arrangements stammen vom öffentlich-rechtlichen Bigband-Chef Jörg Achim Keller, dessen Musiker hier wieder einmal belegen, wofür Rundfunkgebühren gut sein können. Die Zusammenarbeit mit den Profis dort war entspannt, man kennt sich schon länger, und wollte gemeinsam etwas „was die besonders gut können“.

Einige Lyrics lieferte auch ein ehemaliger Texter von Hildegard Knef, und als kleine Überraschung mit Hamburger Lokalkolorit ist „Der Einsame (Abend)“ aus der Feder des Komikers Heinz Erhardt mit dabei, der auch ganz anders konnte als nur schenkelklopferalbern. Erhardts Enkelin hat ihm einige Texte zur Auswahl gegeben, das wäre doch vielleicht was, meinte sie. Wurde dann ja auch was. Fast drei Jahre hat Gwildis mit seinen Kollegen an diesem Konzept geschraubt und gefeilt; ein Mit-Auslöser war ein kurzer Gastauftritt in Berlin, als Gwildis beim US-Jazzer Don Grusin mit auf die Bühne durfte. Veröffentlicht wird das Album bei 105 music, dem kleinen feinen Label aus Hamburg, das sich immer wieder solche Entertainer-Leckerbissen leistet. Ina Müller und Roger Cicero sind auch da unter Vertrag. Die erste Portion vom Alterswerk also auch? Kann man so nicht sagen. „Das ist ein Herzenswunsch, den ich schon ganz lange habe.“ Also bloß nichts voreilig vom Zaun brechen dabei. Anfangs waren etliche Songs mehr in der Auswahl, doch beim einen oder anderen legten die jeweiligen Verlage ein Rechteinhaber-Veto ein. „Es gab aber auch Songs, bei denen wir gemerkt haben, Alter, das wird nichts, da kommen wir nicht dran mit so einer Bigband-Version“, berichtet Gwildis ganz entspannt und unüberhörbar auch stolz auf das Geleistete. „Walking in Memphis“ war so einer, der klemmte. Kann passieren und ist ja auch kein Beinbruch. Es gibt so viel Schönes in der Plattensammlung.

Bei der Frage, ob er nun so etwas wie der Roger Cicero für die Generation Ü40 wäre, muss er allerdings dann doch schmunzeln. „Ich bin nicht so’n Gelehrter. Als Nichtstudierter seh ich die Dinge einfach anders“, findet er. Und auch auf die Frage, ob als Fortsetzung des Spätwerks und zur Steigerung der Nostalgie demnächst ein Country-Album in Arbeit ist, gibt Gwildis Entwarnung. Nachmacher-Country kann er ohnehin nicht ab. Man muss sich das echte Zeug schon in den USA ansehen, findet er, bei den Truckern sein, die ihre Burger muffeln und die Songs mitsingen. So geht das. Aber dennoch, „das nimmt mich nicht so mit auf die Reise wie einige dieser Jazz-Geschichten“.

Gwildis, oben Hornbrille, darunter vor allem dunkle Farben, ist in der gesetzlichen Krankenkasse. Nicht, dass das für seine Musik entscheidend wäre, und rausgerutscht ist ihm das eh nur zufällig, während die Fotos gemacht werden, beim Stichwort Passfoto. Aber genauso etwas sagt ja nun mal auch etwas über diesen Typen, der auf der anderen Seite des Literaturhaus-Tischs in seiner heißen Zitrone rührt. Alter, lass mich an Land mit Chichi, signalisiert das Grinsen. Auf Distanz bleiben kann Gwildis nicht, das formale Interview-Sie wird sofort niedergedutzt. Bodenständig ist er, geerdet, einer von uns. Ehrliche Haut, weiß, wovon er singt. Im HVV-Tarifgebiet ist Gwildis, Barmbek’s Finest, auf jeden Fall ein Weltstar. Im Rest der Republik kennt und schätzt man ihn auch schon seit Jahren, und mit dieser Platte wird man wohl einen ganz anderen Gwildis kennenlernen als den Soulbrother.

Ganz am Rande, neben TV-Serien- und Platten-Tipps, kommen wir auch noch mal kurz auf diese Sache mit dem Glücklichsein zu sprechen. Glück, das hätte für ihn auch damit zu tun, hier und jetzt in den Moment einzutauchen. Und wenn jetzt, in diesem Moment praktisch, Markus Lanz anruft, mit einer Showtreppe winkt und einer Sonnabend-Sause vor Millionen? „Wäre schon ne schicke Sache.“ Aber: „Was dieses Album sein muss, das ist schon passiert.“ Und außerdem: „Mit den Jungs spielen, die schon mit Joe Sample gespielt haben und mit Al Jarreau? Ich find das geil.“

Konzerttermin: Elbjazz Festival, 24.5.,

Infos: www.elbjazz.de,

Making-Of-Video unter www.abendblatt.de/gwildis