Heinz Ratz hat in Deutschlands Flüchtlingslagern Musiker kennengelernt. Ratz kämpft für das Aufenthalts- und Arbeitsrecht der Künstler. Montag tritt er mit dem Projekt The Refugees in der Fabrik auf.

Hamburg. „Wir wollten etwas Schönes schöpfen aus dem Erschütternden, das wir gesehen haben“, sagt Heinz Ratz. Dieser „kulturelle Tausendsassa“, wie er sich selbst bezeichnet, ist einer, der handelt, statt die Zustände bloß in den eigenen vier Wänden zu bejammern. Im Jahr 2011 fuhr er auf seiner „Tour der 1000 Brücken“ 7000 Kilometer mit dem Fahrrad durch Deutschland, um auf Diskriminierung und Ausgrenzung aufmerksam zu machen. Er besuchte knapp 80 Flüchtlingslager.

Besonders schockiert hat den politisch Reisenden neben mitunter „unzumutbaren hygienischen Verhältnissen“ vor allem „der geistige Stillstand, in den die Flüchtlinge gezwungen werden“. Ratz fand in den Unterkünften zahlreiche professionelle Musiker, die ihre Kunst hierzulande nicht ausübten, weil sie sich unter anderem schlichtweg die Instrumente nicht leisten konnten. Daher brachte er einige von ihnen unter dem Namen The Refugees mit seiner eigenen Band Strom & Wasser zusammen und nahm in den Hamburger Off Ya Tree Studios eine Platte auf, die Oriental- und Afro-Pop, Hip-Hop und Volksweisen verschiedenster Kulturen spannungsgeladen vereint. Am Pfingstmontag ist das Projekt in der Fabrik in Altona zu erleben.

„Hamburg ist ungefähr unsere 45. Station“, sagt Ratz, der in Kiel lebt, aber viel Erfahrung mit dem nicht sesshaften Leben hat. Mit 16 von der Schule geflogen, auf der Straße gelebt, dann in der Kultur eine Heimat gefunden, indem er Bücher schreibt, Theater spielt, Musik macht. Für seine Musiker – Hossein aus Afghanistan, Olga aus Griechenland, Nuri aus Dagestan, Jacques und Revelino von der Elfenbeinküste und Sam aus Gambia – möchte der 44-Jährige nun auf Tour ein Gefühl von Stabilität und Verbundenheit herstellen. In ihren Songs, die The Refugees auf Deutsch sowie in ihren Heimatsprachen singen und rappen, erzählen sie von Krieg, Frieden, Freiheit, Demokratie und Heimweh. Hossein etwa hat seine Mutter seit zehn Jahren nicht gesehen, sagt Ratz. Andere Blickwinkel auf die Welt, als wir sie kennen. „Viele von ihnen waren depressiv und enttäuscht, als ich sie kennengelernt habe“, erinnert sich Ratz. „Jetzt sind sie wie neue Menschen.“ Obwohl Angst und Misstrauen tief in den Flüchtlingen verwurzelt bleiben.

In der Realität und auf seiner Webseite kämpft Ratz für das Aufenthalts- und Arbeitsrecht der Künstler. Nach wie vor stellen sich dem Projekt bürokratische Hürden in den Weg. „Das hat sich allerdings gebessert durch die große Öffentlichkeit, die wir bisher erhalten haben“, sagt er. Zum wachsenden Interesse dürfte auch beigetragen haben, dass der Kulturaktivist im Herbst 2012 die Integrationsmedaille der Bundesregierung erhielt. Zunächst wollte Ratz die Ehrung ablehnen, steht die Bundesregierung seiner Meinung nach doch für eine „flüchtlingsunfreundliche Politik“. Letztlich sah er die Auszeichnung jedoch als Möglichkeit, in den Dialog einzusteigen und „die Tür ins bürgerliche Lager zu öffnen“.

Ein zweites Album mit Studio- und Live-Aufnahmen soll noch in diesem Jahr in Hamburg entstehen. Und Ratz will 2014 weitere Projekte auf den Weg bringen, etwa zum Thema Menschenhandel und Prostitution. Zudem plant er eine Initiative mit Musikern aus der Türkei und Island. „Mich nervt, dass über Europa nur noch wirtschaftlich diskutiert wird“, sagt Ratz. Ein kritischer Geist, der weiter handelt.

Strom & Wasser feat. The Refugees Mo 20.5., Einlass: 20.00, Beginn: 21.00, Fabrik (Bus 2, 150), Barnerstr. 36, Eintritt: 9,- (Vvk.), 10,- (Ak.), Flüchtlinge haben freien Eintritt; Internet: 1000bruecken.de