Die zweiteilige NDR-Dokumentation „Die Reeder“ gibt erhellende Einblicke in eine als äußerst verschlossen geltende Branche. Die eineinhalb Stunden Fernsehen sind ein äußerst aufwendig produziertes Werk.

Hamburg. Um es vorwegzunehmen: Den Hamburger Filmemachern Klaus Eichler, 48, und Walter Hollender, 61, ist ein großer Wurf gelungen. Ihr NDR-Zweiteiler „Die Reeder“ ist das wohl umfassendste Porträt der Schifffahrt, das in den vergangenen Jahren in bewegten Bildern realisiert wurde. Ein Film, der ungewöhnliche, spannende, ausführliche Einblicke in eine der verschlossensten Branchen überhaupt gibt: für Laien verständlich, für Profis vor allem wegen der selbstkritischen Betrachtungen aus den Unternehmen heraus durchaus erhellend.

Die Schifffahrt ist ein diskretes Gewerbe, sie wird stark geprägt von Familienunternehmen, bei denen Entscheidungen im engen Kreis gefällt und realisiert werden. Aber auch Branchengrößen wie Mærsk, Hapag-Lloyd oder Hamburg Süd mit komplexeren Eignerstrukturen zeigen im Vergleich zu Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen meist keinen übertrieben starken Mitteilungsdrang.

Bemerkenswert ist deshalb, was Eichler und Hollender in ihrem Werk aufbieten: Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt, der auch Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) ist, gewährt Zugang und Einschätzungen zu seiner und über seine tägliche Arbeit ebenso wie Ottmar Gast von Hamburg Süd, Heinrich Schulte von der Reederei Bernhard Schulte, Helmut Ponath von NSB, Erck Rickmers von E.R. Schifffahrt, Petra Heinrich von der Reederei Heinrich, die Jungreeder Alexander Tebbe und Lucius Bunk von Auerbach Schifffahrt, Ralf Nagel vom VDR – und nicht zuletzt Nils Smedegaard Andersen, Chef des weltgrößten Reedereikonzerns A.P. Møller-Mærsk mit Sitz in Kopenhagen. Eine solche Zusammenschau von Schifffahrtskoryphäen in einer aktuellen Fernsehdokumentation sucht seinesgleichen.

Fast en passant zeichnen die beiden Produzenten die Geschichte der zeitgenössischen Schifffahrt nach, vom Lübecker Kaufmann Thomas Fredenhagen, der im 17. Jahrhundert das Fundament für den modernen Betrieb von Handelsflotten legte, bis hin zur gewaltigen Maschinerie der Containerschifffahrt und -logistik heutiger Tage.

„Wir waren neugierig zu erfahren, was das für Menschen sind, wie sie agieren und wie wir wohl an sie herankommen“, sagt Eichler. „Diejenigen, die dann vor der Kamera mit uns gesprochen haben, waren alle sehr direkt und pragmatisch. Eines ist uns deutlich geworden: Das sind die Logistiker der Globalisierung, die Transporteure der Weltwirtschaft, ohne die der internationale Handel nicht laufen würde.“

Ungewöhnlich ist, dass Filmemacher überhaupt eine solch illustre Reihe von Protagonisten aus der Schifffahrt vor die Kamera bekommen. Nicht alle, die angefragt wurden, hielten ihre Zusagen letztlich auch ein. Heinrich Schulte, Doyen der Hamburger Schifffahrt, wirkte erst nach langer Überlegung mit. Dann allerdings mit tiefgründigen Analysen darüber, wie man ein Familienunternehmen seit dem 19. Jahrhundert erfolgreich von Generation zu Generation führt: „Nicht immer gelingt es, die Besten für die Führung des Unternehmens aus der eigenen Familie zu bekommen. Die einen sind besser, die anderen sind schlechter. Aber über die Zeit nivelliert es sich.“

Die eineinhalb Stunden Fernsehen über „Die Reeder“ sind ein äußerst aufwendig produziertes Werk. Seit dem Jahr 2010 hatten Eichler und Hollender an den Vorbereitungen gearbeitet. Von Mitte 2012 bis Anfang 2013 dauerten allein die Dreharbeiten unter Federführung des Kameramanns René Schröter. Hergestellt wurde der Zweiteiler von der Firma Cinecentrum Deutsche Gesellschaft für Film- und Fernsehproduktion in Hamburg.

Die NDR-Filmer vermeiden jegliche klischeeartige Optik

Die Filmemacher besuchten die Reeder in ihren Hamburger Zentralen, sie begleiteten Michael Behrendt zu Hapag-Lloyd nach Tokio und die Auerbach-Reeder Bunk und Tebbe zur Besichtigung ihres ersten Mehrzweckfrachters nach Spanien. Sie bekamen Einlass zu einer Mærsk-Konferenz auf einem alten Kreuzfahrtschiff in Rotterdam und zum traditionsreichen Reederessen in der Hamburger Handelskammer. Sie besuchten den neuen JadeWeserPort in Wilhelmshaven und Containerterminals in Hamburg.

Natürlich sieht man schäumende Bugwellen und stolze Schiffe einsam auf dem Meer. Aber Eichler und Hollender vermieden eine klischeeartige Optik. Geschickt nutzten sie die großartige Kulisse des Internationalen Maritimen Museums von Peter Tamm und das Miniatur Wunderland als dramaturgische Elemente vor allem für historische Betrachtungen. Innen- und Außenaufnahmen, Gesprächssequenzen, Porträts, Schiffe im Hafen und vor weitem Horizont, all das ergibt eine Hommage an die Schifffahrt, aber auch an Hamburg und an Norddeutschland.

„Die Reeder“ Sa 18.5., Mo 20.5., jew. 17.15, NDR