Der Freiburger Matthias Deutschmann gastiert mit seinem aktuellen Solo „Eurocalypse now“ beim Kabarettfestival

St. Pauli Theater. Das Europa von heute ist manchmal kleiner als gedacht. Das wissen die Menschen auch in Freiburg im Breisgau. Aber in der 230.000-Einwohner-Stadt können sie sich noch wirklich darauf freuen, hat der kleine örtliche Sportclub als Fünfter der Fußball-Bundesliga einen Spieltag vor Toreschluss doch bereits sensationell einen Platz im Europapokal sicher. „In bester Besetzung und guter Tagesform wäre sogar die Champions League drin“, sagt Matthias Deutschmann. Er ist langjähriger Unterstützer des SC. Ganz oben in der ersten Liga der Satiriker spielt Deutschmann („Mein Name ist mir Auftrag und Verhängnis zugleich“) hierzulande selbst schon seit zwei Jahrzehnten. 1992 erhielt er den Deutschen Kabarettpreis, zwei Jahre darauf den Deutschen Kleinkunstpreis.

Europa beschäftigt Deutschmann, der bis auf ein zweijähriges Berlin-Intermezzo zur Wendezeit seit 1973 im Breisgau lebt, nicht nur als badischer Fußballfan. Der Satiriker, ein Schwergewicht des deutschsprachigen politischen Kabaretts, hat sich aufs Neue dem Alten Kontinent gewidmet. „Eurocalypse now“ lautet der Titel seines aktuellen Soloprogramms. Das lässt das Schlimmste befürchten. „Wer spricht noch von Europa? Wir leben in der Euro-Zone“, meint Deutschmann. „Es geht um Geld, nicht um Kultur.“

Dass Deutschland reif ist, die Vorreiterrolle auszufüllen, sieht er nicht. „Deutschland hat die wirtschaftliche Macht. Aber Reife? Vor 40 Jahren hatte Hans-Joachim Kulenkampffs Europaquiz den schönen Titel ‚Einer wird gewinnen‘. Das war ein Orakel. Wir haben damals nicht gewusst, dass wir das sind, oder?“, entgegnet Deutschmann.

Seit er bundesweit als Solokabarettist unterwegs ist, und das sind inzwischen auch schon 27 Jahre, hat es der feinsinnige Freiburger in seinen Programmen immer wieder verstanden, gesellschaftliche Analyse mit pointierter Unterhaltungskunst zu verbinden. Im Programm „Die Reise nach Jerusalem“ persiflierte Deutschmann den sogenannten Krieg der Religionen; in „Deutsche, wollt ihr ewig leben?“ hinterfragte er die Thesen des „Sozialdarwinisten“ Thilo Sarrazin. Bekannt geworden als „der mit dem Cello“, mochte Deutschmann auch dabei nicht auf sein liebstes Instrument verzichten. „Zwei Stunden reden, ganz ohne Musik, das halte ich einfach nicht aus“, bekennt er.

Und so wird der Cello- und Wortspieler Deutschmann auch beim Hamburger Kabarettfestival, zu dessen Eckpfeilern er dank seiner jahrzehntelangen Freundschaft zu dessen Leiter Ulrich Waller gehört, den Bogen von der Europa- über die Innen- zur Wirtschaftspolitik spannen. „Verschärfte Unterhaltung“, nennt Deutschmann sein Solo 2013.

Hält er als ehemaliger Badischer Jugendmeister und Schach-Bundesligaspieler eigentlich weniger vom Hobby-Schachspieler Steinbrück oder noch weniger vom Politiker Steinbrück? „Solange Helmut Schmidt die Züge einflüstert, hat Angela Merkel gegen Peer Steinbrück im Schach keine Chance“, formuliert es Deutschmann für seine Verhältnisse diplomatisch. Vor einigen Jahren bei der Festival-Eröffnungsgala war er angriffslustiger: „Ziel ist, dass Flakhelfer und Alt-68er gemeinsam lachen“, hatte er damals vor den Bildungsbürgern im St. Pauli Theater geäußert. „Menschen unter 60 Jahren kommen bei mir inzwischen voll und ganz auf ihre Kosten“, sagt Deutschmann heute.

Er stand und steht immer auch für die Selbstreflexion. Mit Sätzen wie „German Comedy ist die Antwort auf die englische Küche“ hat er seine Meinung über das vermeintliche junge Konkurrenzmetier mal süffisant formuliert. Sein Genre sieht Deutschmann indes noch nicht am Ende: „Das Sterbeglöcklein für das politische Kabarett bimmelt schon seit einem halben Jahrhundert — mal laut und mal leise. Damit muss man leben wie mit einem Tinnitus im Ohr. Die Verblödung greift um sich, aber der Leser wird das nicht auf sich beziehen. Darin liegt Hoffnung!“

Nur an den Gesetzen des Ball-Business wird auch Deutschmann von Freiburg aus nichts ändern können: Selbst wenn der SC beim Bundesliga-Finale als Vierter noch die Qualifikation für die Champions League erreicht, werden gut die Hälfte der Freiburger Stammspieler das Breisgau in Richtung zahlungskräftigerer Vereine verlassen. „Fußball ist leider ein Söldnersport“, sagt Deutschmann. Und das gilt für Europa sowie für den Rest der Welt.

„Eurocalypse now“ Do 16.5., Fr 17.5, jew. 20.00, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz30, Karten zu 16,90 bis 29,-: T. 47 11 06 66; Termine Kabarettfestival: www.st-pauli-theater.de