Mit One Direction brechen in der O2 World neue Zeiten für das alte Phänomen Boyband an

Hamburg. Boybands sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wer jetzt die britisch-irische Popgruppe One Direction in der bis unters Dach ausverkauften O2 World erlebte, dem wurde schnell klar: Die Zeit der saft- und kraftvollen Synchron-Tänze, wie sie jahrzehntelang von den Jackson 5 bis zu Take That gepflegt wurden, ist vorbei. Zum Glück! Denn auch wenn die Choreografien stets hübsch anzuschauen waren, so wirkten die Akteure mitunter doch wie Affen, die im Popzirkus eine Dressurnummer aufführten.

Derlei Sehgewohnheiten im Kopf, verblüfft es zunächst, dass die fünf jungen Sänger von One Direction (cooler Straßenlook, schöne Haare) in Hamburg doch eher schlurfig vor ihre 12.000 Fans treten. Was jedoch nicht bedeutet, dass die Anhängerinnen zu dem Partypopsong „Up All Night“ nicht sofort durchdrehen. Denn die Insignien von Boybands sind auch 2013 die Gleichen: Mädchen kreischen hysterisch. Und laut. Sehr laut. Ein kollektiver Rausch in süßer Parfümwolke. Stundenlang zurechtgemacht für die erste große Liebe, die den Teddybären im Kinderzimmer ablöst. Ein großes Ausprobieren. Und zugleich bitterer Ernst.

„Zayn, Zayn!“, ruft ein in Tränen aufgelöstes Mädchen nach seinem Lieblingssänger, als die Band auf einem Steg durch die Halle schwebt und ihre Ballade „Change My Mind“ singt. Klar ist: Auch One Direction, die sich 2010 bei der britischen Ausgabe der Casting-Show „X Factor“ fand, ist eine große Inszenierung des Pop. Aber trotz Showtreppe, Videos, Konfetti, Riesenluftballons und Feuerfontänen liegt der Fokus auf den Bandmitgliedern. Sie dürfen auf der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes ihre eigenen Wege gehen. Und nicht zu vergessen: Sie können singen. Vor allem in ruhigeren Stücken wie der R-'n'-B-Nummer „Summer Love“ kommen die Stimmen gut zur Geltung, während sie bei den schnelleren Songs ab und an im Sound unterzugehen drohen. Und einer von ihnen, Niall Horan, spielt sogar passabel Gitarre.

Im Laufe der zwei Stunden gewinnen die fünf an Präsenz. Sie improvisieren sogar ein wenig nach Aufgaben, die ihnen aus der Menge getwittert worden sind. Und sie tanzen ab und an. Das sieht dann aber eher aus wie ein Mix aus „Ritter der Kokosnuss“ und Boyband-Persiflage. Neue Zeiten.