Der israelische Meisterbassist und Brummelsänger Avishai Cohen tritt mit seinem neuen Oktett in der Laeiszhalle auf

Laeiszhalle. Der Zusatz „With Strings“ verdarb Jazzfans früherer Zeitalter oft die Laune. Da hatten sie ihren Charlie Parker, der die wildesten, schärfsten, schnellsten Bebop-Linien der Welt blies, oder sie hatten ihren Clifford Brown, diesen superelegant und cool spielenden jungen Trompeter, und da kamen die plötzlich mit einem ganzen Album voller Streicherklänge um die Ecke! Schielten sie nach Anerkennung durch das weiße Establishment? Betrieben sie damit nicht Ausverkauf am Jazz? Weichte die bissfeste Kruste ihrer Melodien unterm Schmelz der Geigen nicht auf wie Zwieback unter warmer Vanillesoße?

Wenn jetzt der israelische Bassist Avishai Cohen mit seinem um vier Streicher und einen Oboisten erweiterten Trio nach Hamburg zurückkehrt, zuckt man auch erst mal reflexhaft zusammen – aber weniger deshalb, weil man um die reine Lehre des Jazz fürchtet, um die sich Cohen ohnehin noch nie geschert hat. Man kann sich nur nicht so gut vorstellen, wie Cohen die unfassbare Vitalität, die seine Konzerte im Trio regelmäßig in ekstatische Augenblicksfeiern der Musik verwandelt, auf ein solcherart besetztes Oktett übertragen will.

Denn seine Version von „With Strings“ bezieht sich ja nicht auf großes Orchester, sondern auf eine kammermusikalische Verquickung seines Power-Trios mit Streichquartett und Oboe. Das lässt auf verhaltene bis fromme Töne schließen. Und die decken sich nur zu einem kleinen Teil mit dem Eindruck, den Cohen mit seiner Musik der letzten Jahre hinterlassen hat. Mal im Trio, mal mit zusätzlichen Bläsern oder einer Sängerin, entwickelt er eine sehr eigene Art hymnisch-virtuoser Folklore, deren Unmittelbarkeit noch durch seinen etwas brummeligen, hingebungsvollen Gesang gesteigert wird. Wer den Kontrabass bis dahin für ein eher gemächliches Instrument hielt, den verblüfft Cohen mit einer physischen Präsenz, die ihresgleichen sucht. Er wringt seinen Bass mit einer Fingerfertigkeit und Inbrunst, die keiner vergisst, der ihn einmal im Konzert erlebt hat. Unter seinen Händen wird das Instrument zum Kraftwerk, das derart viel Energie in die Musik hineinspeist, dass man manchmal denkt, gleich muss der Mann unters Sauerstoffzelt.

Avishai Cohen ist mehr als ein begnadeter Musiker, er ist ein Erlebnis. Und das weiß er.

Dieser unrettbar in jede schöne, extravagante Melodie verliebte Levantiner mit dem Faible für Latin-Rhythmen und -Akkordfortschreitungen wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Jerusalem auf. Als Kind klebte er winzige Muscheln auf die Tasten des häuslichen Klaviers, damit er sich die selbst erdachten Melodien besser merken konnte. Mit 14 Jahren hörte er erstmals Musik des Wunderbassisten Jaco Pastorius und wechselte prompt vom Klavier zum Bass. Nach Highschool-Jahren in den USA biss er sich in zähen Anfangsjahren als Bassist in New Yorker Clubs durch, wurde in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre von Chick Corea entdeckt und bald darauf von diesem in seine Band Origins geholt.

Jazz alter Schule hat Avishai Cohen natürlich auch mit Chick Corea nicht gespielt, seinerseits ein Liebhaber des spanisch inspirierten Jazz und einer bisweilen an Bartók erinnernden osteuropäischen Harmonik. In den eigenen Projekten, die Cohen manchmal vom Klavier, meist aber vom Kontrabass aus leitet, vaporisiert er den rhythmischen Puls des Swings allerdings in noch weit höherem Maße. Seine Musik kommuniziert; sie hat, bei aller schieren Virtuosität, etwas Nacktes, Urmenschliches, weshalb sie oft gerade solche Leute berührt, denen der Jazz ansonsten gestohlen bleiben kann.

Bislang gibt es von Cohens neuem Oktett kaum Klangdokumente, die der Fantasie aufhelfen würden. Bleibt also nur, diesem außergewöhnlichen Künstler Vertrauensvorschuss zu geben – und zu spekulieren: Wird er das Quartett eher konventionell einsetzen oder eher experimentell? Werden die Streicher und der Oboist improvisieren oder eher Farbe liefern? Der eine Song, den es auf YouTube zu hören gibt, eine Demo-Aufnahme von „Puncha Puncha“, ist eine von Cohen auf Spanisch gesungene Ballade, deren Melodie das Quartett schön harmonisiert begleitet. Wer weiß, was er und seine Begleiter live daraus machen werden. Basis für das Konzert im Rahmen der Weltmusik-Reihe „Around The World“ mit der erweiterten Band in der Laeiszhalle sei das Programm „Seven Seas“, teilen die Veranstalter mit. Immerhin: Damit brachte Cohen im Februar 2012 beim Festival „Sounds of Israel“ ein ausverkauftes St. Pauli Theater aus dem Häuschen.

Avishai Cohen with Strings Mo 13.5., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Tickets zu 10,- bis 39,- unter T. 35 76 66 66