Magische Momente beim Gastspiel der Streicher vom Joachim Quartett Berlin

Hamburg. Wenn sich vier Solisten zu einem Streichquartett zusammentun, kann man schon mal die Luft durch die Zähne ziehen: Ob die sich wohl zu einem Ganzen fügen werden? Die Geigerinnen Viviane Hagner und Latica Honda-Rosenberg, der Bratscher Hartmut Rohde und der Cellist Jens-Peter Maintz, vielfach preisgekrönt und sämtlich Professoren an der Berliner Universität der Künste, waren gerade als Joachim Quartett Berlin in der Reihe „Kammermusik heute“ im Jenisch-Haus zu hören. Das Überraschende dabei: von übertriebenen Egos keine Spur. Im Gegenteil, gerade Hagner klang eher defensiv und zu Beginn von Schuberts Quartettsatz c-Moll zudem nervös, was sich in einigen Intonationstrübungen zeigte. Doch trauten sich die vier, die Schroffheiten und Abgründe offenzulegen.

Auch Beethovens Quartett op. 18 Nr. 1 sprühte vor rhetorischen Ideen. So wie die Musiker das Stück angingen, war es alles andere als ein braver Erstling, sondern wies weit voraus in Beethovens späteres Schaffen: Die innige Klage des langsamen Satzes hatte in diesem Universum genauso Platz wie brüske Lichtwechsel.

Freilich zeigte sich gerade bei Beethoven, dass die Homogenität eines hauptberuflichen Streichquartetts sich nicht mal eben herbeiproben lässt: Latica Honda-Rosenbergs Ton war manchmal arg stabil im Vergleich mit Viviane Hagners, auch wenn sich beide immer wieder wunderbar in den Gesamtklang fügten. Hartmut Rohde ist einer jener Glücksfälle von Bratscher, die ein Ensemble allein mit den Augen zusammenhalten können; er und Jens-Peter Maintz am Cello wirkten besser aufeinander eingespielt – oder einfach kammermusikalisch erfahrener. So wechselten magisch verschmolzene Momente mit disparaten.

Für die zerklüftete Klangwelt von Jan Müller-Wieland Streichquartett Nr. 3 „zweiter Mond“ (2012) passte das gar nicht schlecht. Der Komponist, diese Saison Artist in Residence der ambitionierten Reihe, spielt in dem halbstündigen Werk raffiniert mit den Möglichkeiten der Streicher. Die vier gingen mit allem Mut in die Extreme und ließen die Musik mal splittern und krachen und mal nur noch als Wind hauchen. Schuberts „Erlkönig“ huschte auch kurz durch, wie ein fernes Fanal. Eine aufregende Reise in die Düsternis der eigenen Fantasie.