Pointiert, lakonisch und mit Akkordeon spielendem Köter überzeugt Sibylle Bergs „Hund Frau Mann“ im Theater Kontraste

Hamburg. Die Menschen demütigen gern, bemerkt der kluge Freund des Menschen auf vier Pfoten. Nicht nur seinesgleichen, sondern auch seine Artgenossen. Sibylle Berg macht in ihrer szenischen Versuchsanordnung „Hund Frau Mann“ die Probe aufs Exempel. Ihr drittes Theaterstück wirkt zwar konstruiert, besticht aber durch Bergs scharfe Beobachtungsgabe und den lakonischen, pointierten Sprachwitz. Vor allem rechnet die durch ihre Zeitungs- und Online-Kolumnen besser bekannte Autorin darin bissig mit Ideal und Illusion der großen Liebe ab.

Die falschen Glücksfantasien von Frau (Anna-Maria Kuricová) und Mann (Martin T. Haberger) ironisiert Bühnenbildnerin Telse Hand in einer „Porträt-Skyline“ populärer „Traumpaare“ aus Film, Pop oder Politik. Davor sperrt sie die zwei Einsamen und Enttäuschten um die 40 in ihre Wohnzellen aus Metallstangen. Nur den Hund lässt Regisseur Kai-Uwe Holsten frei im Raum herumstreunen.

Georg Münzel verleiht dem Straßenköter den Charme und süffisanten Esprit eines Clochards. Unter dem verknitterten Secondhand-Smoking lugt eine flauschige „Fellweste“ hervor, soll wohl zum Kraulen verlocken. Mit der Ziehharmonika setzt Münzel auch musikalische und rhythmische Akzente im Dialog mit Partnern oder Publikum. Geschmeidig und elegant spielt er sich im lässigen Rollenwechsel zwischen Spielleiter, Kommentator und hechelndem Vierbeiner ins Zentrum des Abends.

Wie sich Anna-Maria Kuricová und Martin T. Haberger ihr gefundenes Glück einreden und dafür ihre Persönlichkeit opfern, hat tragikomische Momente. Die Übriggebliebenen klammern sich aneinander: Sie aus Verzweiflung, er aus Langeweile. Scharfsinnig analysiert der Hund die Liebesersatzbeziehung: „Es geht dem einen nur gut, wenn der andere am Boden liegt.“

Die Frau leidet am Mann, hat aber gleichzeitig Angst, ihn zu verlieren. Den Paris-Trip spielen die beiden und Münzel als komödiantisches Intermezzo aus, in dem sie Franzosen-Klischees parodieren. Schritt für Schritt nimmt die Frau den eroberten Mann wie einen Hund in Besitz und legt ihn schließlich an die Kette.

Nicht zufällig erwähnt der intellektuelle Vierbeiner, dass er ein Buch von Yasushi Inoue liest. Eine Anspielung Bergs auf die Novelle „Das Jagdgewehr“ des japanischen Autors, in der er eine Liebesgeschichte aus drei Perspektiven erzählt – ähnlich wie sie in ihrem Stück. Berg macht jedoch aus dem Drama eine absurde Komödie über den Machtkampf zwischen den Geschlechtern. In ihrem Stück stecken zweifellos einige (bittere) Wahrheiten.

An Holstens durchdachter und doch leichthändiger Inszenierung stört lediglich die unnötige Pause. Sie widerspricht der Logik des Stücks und Spiels, in dem es um verhängnisvolle Vereinigung, nicht um Trennung „zweier Teile“ geht.

Dessen böse Schlusspointe: Der Hund an der Leine behält die Freiheit, während der ihm angeblich überlegene Mensch in sich gefangen bleibt.

„Hund Frau Mann“ bis 25.7., Theater Kontraste im Winterhuder Fährhaus, Karten unter T. 48 06 80 80

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