Beim Hamburger Kabarettfestival stehen neun Hamburg-Premieren auf dem Spielplan

Es braucht nicht immer ein Motto, um Interesse oder Spott hervorzurufen. „Friendly Fire“ lautete 2003 der Leitspruch beim Hamburger Kabarettfestival. Der irrtümliche Beschuss eigener oder verbündeter Streitkräfte im Krieg ist beim 26. deutschsprachigen Satire-Gipfel vordergründig kein Thema, da Angela Merkel und Peer Steinbrück ihre Truppen in diesem Wahljahr um sich scharen. „So viel Kabarett wie du brauchst“, nennt Ulrich Waller angesichts des jüngsten Evangelischen Kirchentages sein inoffizielles Motto.

Der Festivalleiter präsentiert drei Wochen lang ein „virtuelles Schattenkabinett“ an Künstlern im St.Pauli Theater. Laut Waller „allesamt ministrable Kandidaten für frischen Wind in unserem Land“. Die Riege der Politkabarettisten ist erstklassig vertreten. Leverkusens „linguale Axt“ Wilfried Schmickler, ein Anker der WDR-„Mitternachtsspitzen“, wütet mit der Hamburg-Premiere von „Ich weiß es doch auch nicht“ am 10. Mai zum Auftakt des Spötter-Specials. Auch der Freiburger Matthias Deutschmann geht frisch der „Eurokalypse now“ auf den Grund (16./17.5.). Der zynische Aufklärer Hagen Rether aus Essen mit seiner „Liebe“ (28./29.5.) und der schwäbische Parodist Matthias Richling (30.5. bis 2.6.) mit seinem „Richling-Code“ aktualisieren ihre Shows ohnehin ständig. Und Tobias Mann, 2008 Gewinner des Hamburger Comedy-Pokals, will beim Debüt in „Durch den Wind. Und wieder zurück“ nachweisen, dass er nicht nur smart ist.

Auf Äußerlichkeiten reduzieren lassen sich gute Kabarettistinnen ohnehin nicht — auch wenn der DamenLikörChor meistens in 50er-Jahre-Kitteln aufläuft. Das bis zu 40 Frauen starke Ensemble um Andrea Bongers und Jutta Jahnke ist mit „Was geht?“ (11.5.) erneut beim Festival vertreten, Gardi Hutter als „Die Schneiderin“ (12.5.) erstmals nach langer Zeit. Die Schweizer Clownin galt in den 80er-Jahren als Ikone des weiblichen Humors. Die stimmgewaltige Dresdnerin Annamateur („Screamshots“) am 14.5. und vor allem Cordula Stratmann („Danke für meine Aufmerksamkeit“/24.5.) sind es heute. Waller: „Damit haben wir die Frauenquote gut erfüllt.“

Das Schweizer Duo Ohne Rolf („Unferti“ am 23.5.) zeigt mit Kabarett nur auf Plakaten seine eigene Form. Mit Schrift und Lesung lässt sich das auch von Edelfeder Axel Hacke sagen, der am 15.5. sein neues Buch „Oberst Huhn und andere Geschichten“ vorstellt. Damit schmücken neun Hamburg-Premieren das Festival. Weil Waller im Rahmen dessen stets versucht, junge Künstler aufzubauen, lädt er für den 13. Mai den scharfzüngigen Kabarettisten Till Reiners und Ethno-Comedian Abdelkarim zum Doppel. Ein gemeinsames Motto haben auch sie nicht, indes Zukunft.

26. Hamburger Kabarettfestival Fr 10.5—So 2.6., jew. 20.00, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30; Karten zu 15,80 bis 35,60: T. 47 11 06 66; alle Termine: www.st-pauli-theater.de