Der Engländer Ghostpoet trägt seinen Sprechgesang im Uebel & Gefährlich vor

Spannende Neuheiten sind in der aktuellen populären Szene rar gesät. Retro-Moden bestimmen die verschiedenen Genres. Nur ab und an taucht mal ein neuer Newcomer auf, der partout nicht in eine der gängigen Schubladen passen will wie zum Beispiel James Blake. Gleiches gilt für einen anderen Künstler, der wie Blake ebenfalls aus London stammt, Obaro Ejimiwe heißt und sich Ghostpoet nennt. Auf seinem Album „Some Say I So I Say Light“ trägt Ghostpoet seine Texte als Sprechgesang vor, doch er rappt sie nicht wie ein Hip-Hop-Künstler, es ist eher ein Murmeln, am ehesten noch mit dem afroamerikanischen Poeten Gil Scott-Heron zu vergleichen. Umhüllt sind die Verse von Elektroklängen, die man in dieser Düsternis auch noch nicht gehört hat. Der 30-Jährige ist ein Unikum.

In England sind die Experten schon vor zwei Jahren auf den schwarzen Spoken-Word-Künstler aufmerksam geworden und nominierten Ghostpoet für den renommierten Mercury Prize. Doch der Neuling musste sich 2011 der überragenden PJ Harvey und ihrem Album „Let England Shake“ geschlagen geben, eine Niederlage, die Ghostpoet leichten Herzens hingenommen hat. Zumal er über sein Debütalbum „Peanut Butter Blues & Melancholy Jam“ sagt: „Es war eine miserable Homestudio-Aufnahme, auf dem neuen Album konnte ich in einem professionellen Studio arbeiten und sogar eine Reihe von Musikern verpflichten.“ Unter anderem sind der legendäre nigerianische Schlagzeuger Tony Allen und der AvantgardeGitarrist Dave Okumu dabei.

Auf dem gerade erschienenen zweiten Werk schiebt der „Geisterdichter“ verschiedene Klangschichten übereinander, sodass ein verwirrendes Geflecht von Rhythmen und Geräuschen entsteht. Zwischendrin gibt es schleifenartig wiederholte Riffs, die wie Ankerpunkte wirken und den Kompositionen Halt geben. Verzerrte Gitarren und melodische Klavierkürzel tauchen aus dem dröhnenden Klanggebirge auf, romantische Passagen wie bei James Blake gibt es hier nicht. „In meinem Leben ging es eine Zeit lang ziemlich düster und klaustrophobisch zu, deshalb sind Musik und Texte so dunkel geworden“, erklärt der melancholische Vokalist. Von der Seele geschrieben hat Ghostpoet sich seine Probleme jedoch nicht. Die Texte sind Collagen von Eindrücken und Begegnungen. Gedanken und Gefühle hat er aus einem Bewusstseinsstrom in metaphorische und verschlüsselte Texte übersetzt.

„Meltdown“ bezeichnet eine allmähliche Trennung

Diese Lyrik wirkt manchmal absurd wie zum Beispiel in „Msi Musmid“, wo Nudeln und chinesische Dim Sums miteinander im Streit liegen. Aber auch alltägliche Dinge tauchen schlaglichtartig auf wie in „Dorsal Morsel“: Es geht um Kaufsucht und übergroßen Verzehr von Paprikachips. Auch Beziehungsstress ist in Ghostpoets Texten Thema. „Meltdown“ bezeichnet in seiner Poesie keine Kernschmelze, sondern eine allmähliche Trennung. Das Ergebnis ist allerdings gleich: Am Ende kommt es zur Katastrophe. Der Künstler experimentiert mit Sprache und Sounds. Es bedarf offener Ohren, um all die Feinheiten aufzuspüren, die in den elf Kompositionen verborgen sind. Doch der sperrige Weg in dieses Labyrinth lohnt sich.

Ghostpoet Do 9.5., 21.00, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Karten 17,20; Internet: www.ghostpoet.co.uk