Eine Glosse von Tino Lange

Wenn sie jetzt gerade Schüttgut, sprich Gummibärchen, Schokolinsen oder Käsebällchen, in Reichweite haben: Greifen Sie zu, spielen Sie das Stausee-Spiel. Einfach langsam voll laufen lassen. Das ist völlig egal, denn heute ist wieder der „Internationale Anti-Diät-Tag“.

Das ist einer dieser Tage, wie es sie mittlerweile öfter zu geben scheint als Heiligen-Gedenktage (heute sind Evodius, Britto von Trier und Antonia dran, aber das nur am Rande), alle 24 Stunden muss man an irgendwas Besonderes denken. Weltfrauentag, Welt-Astra-Tag, Weltnichtrauchertag oder eben Anti-Diät-Tag. Zurückgehend auf eine 1992 geweckte Idee der britischen Feministin Mary Evans Young sollen am heutigen 6. Mai, einen Tag nach dem Hamburger Konzert von Meat Loaf (am Welthebammentag und Weltlachtag) die gängigen Größen- und Gewichtsideale und entsprechenden Vorurteile keine Rolle spielen. Stattdessen müssen auch mal die Folgen von Diät- und Schönheitswahn in Gesellschaft, Kultur und Medien bedacht werden: Essstörungen, Depressionen, Diskriminierungen.

Pharma-, Lebensmittel- und Werbeindustrie wollen ja, dass wir im steten Yo-Yo-Rhythmus durch dick und dünn gehen. Nur: Wie verweigert man sich dem heute am besten? Gar nichts essen? Oder einen saftigen Schnitzelburger an einer Fantasie aus Mascarpone-Gorgonzola-Schichttorte? Ach, ein Apfel wird schon gehen. Warum der „Tag des deutschen Apfels“ ausgerechnet am 11. Januar sein soll, hat sowieso noch niemand begriffen.