Ein Serviervorschlag von Verena Fischer-Zernin

Synästhesie nennen Musiker die Fähigkeit, in der Vorstellung mit Klängen etwas anderes zu assoziieren, Farben etwa. Der französische Komponist Olivier Messiaen hatte diese besondere Gabe, die seine Tonsprache entscheidend beeinflusst hat. Aber das ist ja noch gar nichts gegen das Talent von Thomas Wilken. Der imaginiert zu Wagners „Ring“ ganze Menüs. Das hört sich dann so an:

Passend zum „Rheingold“ hat Wilken Stör und Kaviar auf der Zunge, auch wenn man von deren Vorkommen im Rhein länger nichts gehört hat. Taube und Wachtel sollen an die Geschwisterliebe in der „Walküre“ gemahnen, für den Drachentod im „Siegfried“ müssen Riesengarnelen dran glauben, und der Weltenbrand der „Götterdämmerung“ beschert dem Esser einen schwarz gebratenen Rücken vom pommerschen Rind. Natürlich fehlen auch Beilagen nicht, erst recht nicht verbale Dreingaben wie „eine Interpretation von“ und das ganze Panorama deutscher Präpositionen von „auf“ über „an“ bis „neben“.

Klingt verdächtig nach Speisekartengeschwurbel? Erraten. Wilken ist der Küchenchef des Hotels Atlantic und hängt sich mit seiner Création in aller Eleganz an die allgemeine Hysterie um Wagners 200. Geburtstag an. Schlappe 90 Euro darf der Rundum-Enthusiast für das Gemetzel hinblättern. Nur die Musik hat nichts davon; von einer Spende an die darbende Staatsoper ist jedenfalls nicht die Rede. Und neu ist das Ganze auch nicht: Die Mutter des kulinarischen Opportunismus hat schon mehr als ein Jahrhundert auf dem stanniolumhüllten Buckel. Sie kommt aus Salzburg und heißt Mozartkugel.