Das am Freitag erscheinende Album „Time“ ist eine altmodisch anmutende Maßarbeit mit Saxofon, Violinen und Gitarrensolo. Stewart ist wie Bruce Springsteen ein Künstler, der generationenübergreifend Fans findet.

Wer glaubt, das autobiografische Schreiben sei bloß rückwärtsgewandt, der wird von Rod Stewart belehrt: Die perfekteste Föhnfrisur des Pop-Zirkus veröffentlicht am morgigen Freitag ihr neues Album. Es ist das erste „reguläre“ seit 20 Jahren; wenn man die Regel zugrunde legt, dass ein Album nur dann ein richtiges ist, wenn die Songs wirklich neu sind. In der im vergangenen Herbst erschienenen Autobiografie „Rod“ geht es auch um Modelleisenbahn und Fußball, noch wichtiger als das Resümee der leidenschaftlich betriebenen Hobbys war Stewart aber eigenem Bekunden nach die Wiedererweckung der eigenen Kreativität durch den Schreibprozess. Auf das Bekenntnisbuch folgt nun also „Time“, und einen allgemein gültigeren Titel kann man sich schwerlich vorstellen.

Stewart stammt aus der goldenen Ära der Musikindustrie

Die Zeit hat dem Briten Rod Stewart nicht nur die Lust am Songwriting zurückgebracht, sie hat ihm im Laufe der 50 Jahre währenden Karriere auch eine ertragreiche Ernte beschert. Der Mann hat „Maggie May“ und „Baby Jane“ geschrieben, Klassiker, von deren Tantiemen er wahrscheinlich leben könnte. Zur definitiven finanziellen Absicherung hat es sich der 1945 in Highgate, London, geborene Stewart aber lieber angelegen sein lassen, insgesamt mehr als 100 Millionen Platten zu verkaufen.

Stewart ist wie Bruce Springsteen, die Rolling Stones oder Madonna ein Künstler, der generationenübergreifend Fans findet. Und er stammt aus der goldenen Ära der Musikindustrie, als Menschen noch Tonträger kauften. Ästhetisch hat Stewart selten etwas gewagt. Er ist ein Gralshüter der traditionellen Pop-Spielarten Rock, Blues und Folk. Stewart, dessen heisere Stimme vor anderthalb Jahrzehnten durch eine Krebserkrankung ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist in erster Linie wegen seiner Qualitäten als Sänger zu einem unverwechselbaren Künstler geworden. „Downtown Train“ ist Tom Waits‘ größter Hit, weil er auch von Stewart gesungen wurde. Zuletzt hat der das Erbe neu vertont und Platten unter dem Titel „The Great American Songbook“ aufgenommen, Jazz-, Pop- und Rockstandards der vergangenen 80 Jahre. Beinah unbemerkt von manchen Fraktionen der ewig aufgeregten Popkritik und Hipstergemeinde hat Stewart damit wieder Waggonladungen von Alben verkauft.

Und ist dabei auch Teil geworden der „Retromania“, der Vergangenheitssucht des Pop. Wie passt das „Time“ nun herein, das neue Album? Sehr gut! Es ist die perfekte und bei Rod Stewart nie sperrige Pop-Mixtur, die fallweise auf Violinen, Mundharmonika und Streicher zurückgreift. Alles schön sämig; Grundlage ist der radiokompatible Popsong, wie er sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat und wie er alle paar Jahre minimal modernisiert wird.

Er ist jetzt 68 Jahre alt, da achtet man auf seine Gesundheit

Auf den Punkt gebracht, lässt sich also sagen, dass „Time“ genauso, sagen wir, 1985 hätte erscheinen können. In „Finest Eoman“ wird herrlich unverfroren ein Rockgitarrensolo gespielt, und zwar eines der ganz gediegenen Art. Weil Stewart, dieser so überzeugt konservative Songwriter, inzwischen acht Kinder von fünf Frauen hat, darf er in dem bereits als Single veröffentlichten Song „She Makes Me Happy“ Zeilen wie diese singen: „I'm a stubborn kind a fella/never thought this could happen to me/I could smoke and drink and gamble just as I please/Now I'm working out daily and I'm watching my waistline/No more burgers and fries/When I get home there's a hot bath waiting/Glass of wine on the side“.

Kein Saufgelage, keine Burger mehr, lieber ein Bad und ein Glas Wein: Das reicht als Metapher für „Time“. Rod Stewart ist jetzt 68 Jahre alt, da achtet man auf seine Gesundheit und lässt alles entspannt fließen. Man schreibt Songs mit Titeln wie „Sexual Religion“, in denen der Damenchor jubiliert, das Softpornosaxofon schwelgt und der Beat unverschämt seicht ist.

Rod Stewart: „Time“ (Universal)