Wotan Wilke Möhring und Sebastian Schipper haben bei ihrem Debüt als Hamburger Ermittler eine gute Figur abgegeben

Tagessieger war wie so oft der „Tatort“, keine andere Sendung fand am Sonntagabend mehr Zuschauer. Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen rückte der „Tatort Feuerteufel“ Hamburger Villen und Hinterhöfe ins Bild und schickte einen neuen Gerechtigkeitskämpfer an die Front. Nach Til Schweigers Ballermann Nick Tschiller hinterließ nun Wotan Wilke Möhring seine Duftmarke als ARD-Ermittler.

Der Neue

Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ist ein bisschen so, wie man sich einen von Til Schweiger verkörperten Bullen vorstellt: eher bildungsfern. Trotzig aus Prinzip. Einer, der sich eher auf seinen Instinkt verlässt und die Büchse der Pandora für Porno-Schweinkram hält. Einer, der Marx zitieren kann, weil: „Stand heute im Kalender“. Falke, aufgewachsen in Billstedt, ist ein hemdsärmeliger Typ, der in seiner abgeranzten Karre Indie-Rock hört, außer Bier auch gerne Vollmilch trinkt und der Praktikantin auf den Hintern glotzt. Apropos: Die Juristin macht ja den durchweg kompetenteren Eindruck als Falke, der emotional ganz schön wackelig unterwegs ist. Er schreit ganz gerne mal herum, aber gerade das macht ihn sympathisch. Er hat stellenweise mehr mit sich als mit dem Fall zu tun. Der abtrünnige Kollege, der Sohn, der nicht mal etwas von ihm weiß, die Junggeselleneinsamkeit – Mann, das schlaucht. Und ist, wenn’s hart auf hart kommt, eigentlich nur mit einem Besäufnis zu ertragen. Am Ende schadet das der Fallaufklärung keineswegs, denn Falke ist der typische Fall des szenenahen Ermittlers: kennt überall Leute, zum Beispiel Schanzen-Autonome, Taxifahrer, Sexarbeiterinnen. Und er hat die entscheidende Idee, einfach mal den Unterschichts-Bengel mit dem nur scheinbar trauernden Witwer zusammenzubringen. Wäre Nick Tschiller nicht drauf gekommen. Der ballert lieber.

Das Team

Es soll Zuschauer geben, die gucken den „Tatort“ sonntags allein deshalb, weil das Münsteraner Gespann sich so ulkig anraunzt. Weil die Kölner Kommissare vor dem Abspann über der Currywurstschale ins Philosophieren geraten. Der „Tatort“-Kommissar ist also immer nur so gut wie sein Partner. Oder anders gesagt: Die richtige Chemie zwischen den Ermittlern kann einen müden Fall zumindest mit Dialog-Schuss-wechseln eine Liga höherschießen. Bei den Kriminalhauptkommissaren Thorsten Falke und Jan Katz liegt die Sache anders. Die sind keine Kollegen. Sondern dicke Freunde seit Sandkastentagen. Sie halten sich gegenseitig den Rücken frei, egal was der andere für Blödsinn anstellt. Lagerfeuer, Bierchen, zwei Männer am Strand – das sind die ersten Bilder von „Feuerteufel“. Der Film schubst Ermittlerfiguren auf die Bildfläche, auf deren nächsten Fall man sich bereits ernsthaft freut; das ist mehr, als man von allen „Tatort“-Debütanten dieses Jahres behaupten kann. „Ich werde Papa“, sagt Katz, gespielt von Sebastian Schipper, dem sympathischsten Hipster unter den deutschen Schauspielern, der auch als Regisseur („Absolute Giganten“) Erfolge feierte. So gehen Kumpelfilme los, der klassische Auftakt zum Sonntagskrimi kommt in der Regel blutiger daher. Die Szene am Elbstrand ist schlau gewählt, schließlich folgt der Verrat auf dem Fuße. Katz lässt sich in den Innendienst versetzen, mehr Verwaltung, weniger Körpereinsatz an der Front. Falke fühlt sich getäuscht, das Launentief ausbaden muss die neue Kommissarin Katharina Lorenz, die ihm zur Seite gestellt wird. Petra Schmidt-Schaller hat Wangenknochen, an denen man Wäsche aufhängen kann; nachdem das Drehbuch ihr ein wenig Raum lässt, schenkt der Zuschauer ihr ein paar Sympathiepünktchen mehr als beim ersten Auftritt als blondes Biest, das dem Chef den Rücken massiert. „Feuerteufel“ erzählt auch davon, dass niemand es allein schaffen kann. Nicht draußen und nicht auf dem Polizeirevier.

Hamburg, seine Perle

Falke scheint auch Sinn für Postkartenmotive zu haben: Besaufen tut er sich ja am liebsten auf Steinwerder. Da ist der Blick auf Landungsbrücken und City so schön. Er lebt in einem In-Viertel (Schanze, Eimsbüttel – so was), mit dem Kioskbesitzer ist er per Du. Klar. Abseits dieser Falke-Koordinaten macht „Der Feuerteufel“ dann noch die ganz große Hamburg-Schere auf. Die Autos werden auf der Uhlenhorst und in Blankenese abgefackelt, und hier erscheint die Hamburger Hautevolee jetzt nicht unbedingt in einem positiven Licht. Ein Autohändler geriert sich als klebriger Verteidiger der eigenen Scholle, auf der Uhlenhorst jagt die Bürgerwehr einen Unbeteiligten in den Tod. Falke ermittelt auch in Jenfeld, besonders elendig geht es aber in Billstedt zu, wo die perspektivlose Wirklichkeit der Vorstadt-Prolls zu Hause ist. Falke weiß, wie er mit denen reden muss: „Digger“, „Alder“ – der Slang der Straße. So redet kein Krawattenhorst. So redet auch keiner, der später, irgendwann mal, in die Elbphilharmonie geht. Deren Baustelle ist übrigens öfter mal zu sehen, ebenso Hamburg von oben: Letzteres ein schönes Bild, es nivelliert alle Klassenunterschiede. Falke passt eher da hin, wo Hamburg unprätentiös und schlicht ist: bei den kleinen Leuten, den Deklassierten und Durchschnittlichen.