Klassische Musik und Komik? Das russisch-deutsch-britisch-koreanische Duo Igudesman & Joo zeigt: Das geht

Laeiszhalle. Musikalisches Kabarett, ach ja. Kennt man. Die Witze und akrobatischen Einlagen haben die verflixte Tendenz, sich zu ähneln. Aber wenn eine Formation das Zeug hat, dem überfütterten Betrachter nahezubringen, welch hohe Kunst das Komische ist, dann ist es das russisch-deutsch-britisch-koreanische Duo Igudesman & Joo. Der Geiger Aleksey Igudesman und der Pianist Hyung-ki Joo verpassen schon mal Mozarts Marsch „Alla turca“ eine Schockdosis fernöstlicher Esoterik und würzen das Ganze mit einer kleinen Zirkusnummer, dass man um die Geige fürchtet.

Über spieltechnische Schwierigkeiten sind die beiden Absolventen der renommierten Londoner Yehudi Menuhin School weit erhaben. Das Zwerchfell hat seine liebe Mühe, bei der dichten Folge der Gags mal lockerzulassen, denn die sind nicht nur präzise aus der Musik heraus entwickelt, sie zeugen auch von einer genüsslich-boshaften Beobachtung des ritualisierten Musikbetriebs. Im Interview spielen die Künstler einander die Bälle genauso zu wie auf der Bühne: Profis auch im Selbstmarketing, die keine Silbe zu viel preisgeben. Heute Abend spielen sie in der Laeiszhalle „A Little Nightmare Music“ – natürlich mit einer guten Portion Mozart.

Hamburger Abendblatt: Wenn man den Musikbetrieb so aufgespießt hat, ist man dann nicht verdorben für normale Konzerte?

Aleksey Igudesman: Ein Konzert soll doch nicht normal sein, sondern etwas Besonderes. Außerdem war es im 19. Jahrhundert beste Übung, ein Konzert aufzulockern. Franz Clemens, für den Beethoven das Violinkonzert komponiert hat, hat zwischen den Sätzen Zaubertricks mit dem Bogen gemacht oder er hat falsch herum gespielt. So waren die Zeiten!

Hyung-ki Joo: Liszt hat zwischendurch gern mal mit den Hörern ein Glas Wein getrunken. Es gab viel weniger Grenzen zwischen Publikum und Künstler. Erst das 20. Jahrhundert ist so ernst geworden. Das finden wir elitär.

Abendblatt: Wie würden Sie denn einen ernsten, tief bewegten Satz spielen?

Igudesman: Wir wollen uns ja nicht über die Musik lustig machen, wir wollen mit der Musik Spaß haben. Deshalb suchen wir Musik aus, in der Humor drinsteckt. Aber davon abgesehen – auch ernste Musik soll berühren. Das Einzige, was wir bestimmt nicht wollen, ist Friedhofsruhe.

Abendblatt: Wenn auf der Bühne Ihr Geigenbogen in einem Staubsaugerrohr verschwindet, haben Sie dann keine Angst?

Igudesman: Ich habe verschiedene Bögen. Zum Beispiel einen, den ich herumschmeiße, den ich virtuos in den Himmel werfe und der manchmal virtuos auf den Boden fällt. (zieht plötzlich einen Geigenbogen in Unterarmlänge hervor und spielt einen knackigen Rhythmus) Klingt nicht schlecht, oder? Nur lange Noten sind schwierig.

Abendblatt: Die rasenden Noten von Rimsky-Korssakows „Hummelflug“ müssten doch gut gehen damit.

Igudesman: Aber nur sehr langsam und falsch (kratzt ein paar jämmerliche Töne).

Abendblatt: Ihre Shows entwickeln Sie zu zweit. Ist es leichter, auf Ideen zu kommen, wenn man sich gegenseitig spiegelt?

Igudesman: Wir nennen das Pingpong. Der eine hat eine Idee: Ich möchte ein Stück machen über einen Pianisten, der übt. Und der andere: Ja, aber wie wäre es, wenn er gleichzeitig ein Sportkommentator ist?

Joo: Ich bin der Ping, er ist der Pong.

Abendblatt: Aha. Aber Pang fehlt noch. Oder wie heißt der bei Puccini?

Joo: Wir haben eher an Tischtennis gedacht.

Abendblatt: Aber Sie kennen die Hofschranzen bei „Turandot“?

Igudesman: Nicht persönlich.

Abendblatt: Sie haben sich als Zwölfjährige an der Yehudi Menuhin School getroffen. Wie sind Sie auf die Komikerschiene geraten?

Igudesman: Jeder von uns war schon bekannt dafür, lustige Sachen zu machen. Die Schule hat das gefördert. Yehudi Menuhin war eine extrem offene Musikerpersönlichkeit. Er war einer der Ersten, der mit indischen Musikern und Jazzmusikern gespielt hat. Genregrenzen waren ihm fremd. Und uns deshalb auch.

Joo: Natürlich wurden wir klassisch ausgebildet. Aber wir haben in Musiktheorie auch Lieder von Queen oder Pink Floyd analysiert.

Abendblatt: Waren Sie denn die Einzigen, die in diese Richtung gegangen sind?

Igudesman: Na ja – Nigel Kennedy war auch auf der Schule. Und noch andere von der Sorte.

Joo: Also eigentlich nur Verrückte.

Igudesman: Eine Schule für begabte Verrückte. (lacht)

„A Little Nightmare Music“ Igudesman & JooMo 29.4., 20.00, Laeiszhalle Großer Saal (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 26,- bis 37,- unter T.450118676; www.igudesmanandjoo.com