Yoga und Installationen begegnen sich in einer ehemaligen Likörfabrik

Hamburg. Einer der spannendsten, zugleich aber unbekanntesten Kunsträume in Hamburg verbirgt sich in der Dachetage eines schmalen Hauses im Kleinen Kielort. Dort war bis 1923 die Likörfabrik des Unternehmers Henry Loebel, dessen Name noch immer an der zweifarbig gekachelten Fassade zu lesen ist. Wo einst geistige Getränke hergestellt wurden, ist heute ein Raum, in dem sich der Geist entwickeln kann – und zwar auf verschiedenen Wegen.

Das Ehepaar Benita und Immanuel Grosser hat dort vor 13 Jahren das Hamburger International Sivananda Yoga Vedanta Center, kurz Y8, eröffnet. Die beiden leben und lehren Yoga, und sie arbeiten als Künstler. Y8 ist der Schnittpunkt ihrer unterschiedlichen Wege zur Erkenntnis, denn der Raum, in dem Yoga praktiziert wird, ist auch viel genutztes Ausstellungszentrum beziehungsweise selbst Teil der Kunst.

Allein im vergangenen Jahr waren hier acht internationale Künstler zu Gast – darunter Carl Andre, der Grand Old Man der Minimal Art – und haben mit ihren Installationen den Raum kurzzeitig verändert: durch rhythmisierende Bodenraster beispielsweise, durch Wandbemalungen, durch Umbauten oder durch Objekte wie von der Decke hängende Tannenbäumchen, sperrige Quader oder großzügig verstreute Avocados.

Nach dem – auch finanziellen – Kraftakt von 2012 lassen die Grossers es in diesem Jahr ruhiger angehen. Zurzeit ist Meg Cranstons länger präsentierte Installation „Fireplace 12“ zu sehen: Zwölf Zeichnungen von BIC-Einwegfeuerzeugen in den Modefarben der Saison. Die amerikanische Konzeptkünstlerin hatte sich gefragt, wie sich in unserer Konsumgesellschaft Macht ausdrückt und war dabei auf die alljährlichen Trendvorgaben des Farbkommunikations-Unternehmens Pantone gestoßen. Cranston dokumentiert mit ihrem Wandbild der aktuellen Kollektion eines Massenprodukts, was sie als Lifestyle-Diktat empfindet.

Am 19. Mai werden die BIC-Zeichnungen übermalt – der nächste Künstler findet dann einen weiß gestrichenen, holzgetäfelten Dachboden vor. Die Spielregeln sind immer die gleichen: Die Künstler, die ohne Honorar arbeiten, haben größtmögliche Freiheit für ihre Ausstellungsarchitektur. Y8 übernimmt die Kosten des Projekts, Yoga-Schüler helfen bei der Ausführung.

Im Idealfall haben alle Beteiligten einen geistigen Mehrwert, berichtet Immanuel Grosser über das Begegnungsformat: „Künstler finden den Kontext hier interessant. Sie spüren, dass ihre Ideen sehr ernst genommen und die Ausstellungen bis zum Ende durchgearbeitet werden. Das hier ist kein normaler Ausstellungsbetrieb, sondern etwas sehr Lebendiges. In diesem Raum wird gelebt, er ist öffentlich, erlaubt gleichzeitig aber sehr persönliche Erfahrungen. Und es gibt hier ein unglaubliches Engagement. Das Ganze ist nicht kommerziell – und das macht die Sache so unbestechlich.“

Y8 wirbt nicht für die Ausstellungen, doch Gäste sind willkommen: „Wir wünschen uns Besucher, auch während der Yoga-Stunden“, sagt Immanuel Grosser, der mit Y8 ab und zu auch außer Haus geht, um auszuprobieren, wie sich in Museen (wiederholt in der Hamburger Kunsthalle), auf der Art Basel oder in Galerien die Energie von Kunsträumen durch Yoga-Aktivität aufladen lässt.

Kürzlich war Y8 im Museum für Völkerkunde zu Gast. Das war dann allerdings keine Versuchsanordnung in Sachen Kunst, sondern schlicht eine offene Yoga-Stunde im musealen Raum. Auch eine interessante Erfahrung.

Y8, Kleiner Kielort 8, Telefon 41 42 45 46. Infos unter www.artyoga.de