So multikulti ist es bei den Finnen: Tuomas Kyrö liest aus „Bettler und Hase“

Hamburg. Tuomas Kyrö ist derzeit in Deutschland auf Lesereise, er ist da auch so eine Art Botschafter für sein Heimatland. Tuomas Kyrö kommt aus Finnland. Weshalb er zum Beispiel in Berlin im Finnland-Institut liest. Das bietet sich ja an. Man könnte sich jetzt fragen, ob es da eine Sauna gibt, denn so ist das mit den Klischees: Sie sind schnell bei der Hand. Im Nachtasyl im Thalia Theater gibt es erwiesenermaßen keine Sauna, aber Mittwochabend eine Hamburger Lesung mit dem heißesten finnischen Literaturtipp.

Tuomas Kyrö also, Jahrgang 1974, geboren in Helsinki. Ein Mann mit Gesichtsbehaarung, was in unseren glatt rasierten Zeiten schon einmal ein starkes Statement ist. Kyrö ist ein Autor der jüngeren Generation, wie man so schön sagt, weil Dichter noch als jung gelten, auch wenn sie schon fast 40 sind. Kyrös jetzt bei Hoffmann und Campe erscheinender Roman „Bettler und Hase“ ist sein erstes Buch, das auf Deutsch zu haben ist – was kein Wunder ist.

In Finnland nämlich war „Bettler und Hase“ ein Hit und führte die Bestsellerlisten an. Wer Altbekanntes über Finnland lesen möchte, der tut mit dem Buch einen guten Griff: Unter anderem geht es in dem leicht verdaulichen Schmöker auch um einen trinkfreudigen Finnen, der, nun ja, am liebsten in der Sauna pichelt.

Was aber als Beschreibung den Buchinhalt arg verkürzt. Vor allem auch, weil dieser Harri Pykström ja nicht den Mainstream vertritt im kuriosen Personalbestand dieses Unterhaltungsromans, der wiederum in die Sparte der neuen skandinavischen Leichtigkeit gehört. Wie schon „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ ist auch „Bettler und Hase“ eine Art Schelmenroman mit skurrilen Figuren; locker im Ton, gefällig auf der Erzähloberfläche, aber sich tiefer liegenden Wahrheiten nicht verschließend. Da wäre zum Beispiel zu nennen, dass das Land im Norden so wie beinah jede Nation in der reichen Welt ein Einwanderungsland ist, in dem sich Fremde manchmal gerade so durchschlagen. Aber Migrationshintergründe taugen nicht nur für moralinsaure Erörterungen oder durchaus angebrachtes Sozialengagement, sondern auch für einen satirischen Roman.

Es gibt also zwei Helden, wie der Titel schon sagt. Der „Bettler“ ist ein Rumäne, er heißt Vatanescu. Der „Hase“ ist eigentlich ein Kaninchen und krabbelt mit Vorliebe unter Vatanescus Klamotten herum. Es macht dem Rumänen, der aus armen Verhältnissen stammt und keine Lust hat, eine Niere zu verkaufen, um diesen Umstand zu ändern, gar nichts aus – im Gegenteil: der Vierbeiner wird sein Glücksbringer, er hat ihn immer am Mann. Der Hase muss so einiges durchstehen, genau wie sein Kompagnon. Der muss zuerst für einen russischen Sklaventreiber betteln gehen. Später wird er Beerensammler, dann arbeitet er auf dem Bau, ehe das Schicksal eine ganz und gar unwahrscheinliche Volte für ihn bereithält – der ungewaschene Wanderarbeiter wird Finnlands Regierungschef.

Wem das jetzt ein bisschen zu albern ist, der hat halt sowieso nichts übrig für den etwas nahrhafteren Humor, der sich auf dem Erzähl-Bankett üppig ausbreitet. Kyrö arbeitet auch als Cartoonist, und so hat die Romanhandlung eine hohe Pointendichte. Sein Humor ist warmherzig, natürlich steckt hinter dem bisweilen ironischen Kitscherzähler – „Bettler und Hase“ hat bisweilen märchenhafte Züge – ein Moralist. Seinem Helden droht im Verlauf seiner Odyssee die Abschiebung, so viel Ernst muss dann schon noch sein.

Dass er nicht zurückmuss in das deklassierte Land seiner Vorfahren, liegt an den demokratischen Charaktereigenschaften der schönen neuen Medienwelt: Der Rumäne wird dank des possierlichen Tierchens zum Internetphänomen. Er ist ein Promi, ein jedermann mit hohen Sympathiewerten, der zufällig in den Fokus der Klick- und Bedröhnungsgesellschaft geraten ist, und damit der repräsentative Held des 21. Jahrhunderts. Der Forrest-Gump-artige Pechvogel Vatanescu wird im Laufe der Geschichte zum Glücksritter, sein Paradies mit Familienglück und Spießeridyll heißt am Ende: Finnland. Muss ein tolles Land sein.

Lesung 24.4., 19 Uhr, im Nachtasyl im Thalia Theater, Tickets: 7 Euro